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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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Herde Feuerböcke erblickt und sich davon hatten ablenken lassen. Höchstwahrscheinlich würden sie alsbald zurückkehren. Wenn nicht vor Sonnenuntergang, dann wahrscheinlich morgen.
    Und auch wenn Kes und die sie begleitenden Magier dem Wall nicht zusetzten, dachte Jos, würden sich die Risse vermutlich weiterhin ausbreiten. Er war beinahe sicher, dass sie heute Morgen schlimmer gewesen waren als gestern Abend. Schaden, der sich über Nacht verstärkte, ging wahrscheinlich nicht auf die Greifenmagier zurück.
    Jos wünschte nur, er hätte gewusst, was den Schaden ursprünglich erzeugt hatte und was weiterhin täglich Schaden erzeugte. Und natürlich hätte er sich auch wünschen können, dass die Kenntnis von der Ursache des Problems ihm das Wissen vermitteln würde, wie es zu beheben war. Das war jedoch ein anderes Thema.
    Ein Kräuseln lief durch die Luft – eine Bewegung durch das Licht –, und Kairaithin war auf einmal zur Stelle und ruhte in großer Höhe auf den hohen Winden. Sein Schatten strich strahlend und feurig-heiß über die Bergwiese.
    In seiner wahren Gestalt war Anasakuse Sipiike Kairaithinein Greif mit mächtigen Schwingen: nicht der schönste Greif, den Jos kannte, aber einer der größten und entsetzlichsten. Er war ein sehr dunkler Greif. Schwarzes Gefieder zog sich vom grimmigen Adlerkopf aus nach hinten und breitete sich zu einer dicken Mähne rings um Schultern und Brust aus. Die schwarzen Schwingen wiesen Kanten und schmale Streifen aus glutrotem Gefieder auf. Sie neigten sich, um den Wind einzufangen, und verstreuten Feuertröpfchen in die kalte Gebirgsluft. Das Löwenfell Kairaithins war eine Spur dunkler als Karmesinrot, die Adlerkrallen und Löwenklauen schwarz wie Eisen.
    Die Hühner liefen unter seinem feurigen Schatten vor Entsetzen gackernd auseinander, mit gesenkten Köpfen und flattenden Flügeln. Die Ziege, klüger als die Hühner, war schon schnurstracks in die Hütte gelaufen und versteckte sich dort erfahrungsgemäß unter dem Bett.
    Jos legte den Kopf in den Nacken und sah den Greifen durch die dünne Luft herabsinken – Luft, die aufgeladen war mit der natürlichen wilden Magie der Berge und des Flusses. Kein anderer Greif als Kairaithin vermochte hierher vorzudringen. Deshalb hatte der Wall auch dort unten enden dürfen, denn er traf hier auf die dünne kalte Luft und wilde Magie, die dem Greifenfeuer feindlich gesinnt waren, und kein Greif konnte somit an dieser Stelle die Mauer umgehen. Außer diesem einen. Anasakuse Sipiike Kairaithin schien es nicht schwerzufallen, überall aufzutauchen, wo er wollte, ob im Land des Feuers oder im Land der Erde oder in diesem wilden Land, das zu keinem von beiden gehörte.
    Kairaithin landete sauber mitten auf der kleinen Wiese. Hitze strahlte von ihm aus. In seinem Schatten verdorrten die zarten Gräser, aber auf der übrigen Wiese öffneten sich Blüten und neigten die empfindsamen Oberflächen der Wärme des Greifen zu, wie ansonsten zur Sonne.
    »Wenn du in Menschengestalt auftauchtest, bräuchte ich nicht Stunden darauf zu verwenden, die Ziege wieder aus meiner Hütte zu zerren und erschrockene Hühner einzusammeln«, sagte Jos sanft.
    Kairaithin setzte sich ordentlich hin wie eine Katze und legte den Schweif um die Adlerkrallen. Er neigte den Kopf zur Seite, und das Gebirgslicht funkelte auf dem grausam scharfen Schnabel wie auf glänzendem Metall. Erwarten dich andere dringliche Vergnügungen, um damit deine Stunden zu füllen? , entgegnete er.
    Ein Scherz. Zumindest dachte Jos, dass diese Frage vermutlich als Scherz gemeint war. Zuweilen erwies sich Greifenhumor für einen einfachen Menschen als schwer durchschaubar. »Nun, recht wenige, vermute ich, abgesehen davon, mir den Wall anzusehen«, erwiderte Jos einen Augenblick später.
    Die Augen des Greifen waren schwarz, mitleidlos wie die Wüstensonne oder die Gebirgskälte oder ein Sturz aus schrecklicher Höhe. Eine Art harter Humor konnte jedoch darin aufschimmern. Das geschah jetzt. Hoffentlich ist die Betrachtung des Walls keine Tätigkeit, die nach deiner fortwährenden Aufmerksamkeit verlangt , sagte der Greif.
    Jos erwiderte daraufhin, ohne eine Miene zu verziehen: »Ich vermute, ich könnte mal eine Stunde in meiner Wachsamkeit nachlassen.« Dann setzte er recht zaghaft hinzu: »Der Schaden scheint heute nur wenig schlimmer als gestern zu sein. Denkst du, dass sich die Rissbildung im Wall vielleicht stabilisiert?«
    Der Greif gab darauf keine Antwort, was bedeuten

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