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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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diese Spirale gezeichnet hatte.
    Ein Linulariner Magier war dafür verantwortlich. Jemand, der Maianthe einzufangen versucht hatte? Sie fürchtete, dass das der Fall gewesen war. Tans Feinde hatten vielleicht zuvor nichts von ihr gewusst … War das gerade erst vergangene Nacht gewesen? Alles lief so schnell, und nichts davon ergab irgendeinen Sinn. Außer dass die Linulariner Magier sie, Maianthe, womöglich entdeckt hatten oder ihnen deutlich geworden war, dass sie der Feind war. Oder sie hatten entschieden, dass sie Maianthe aus dem Weg räumen mussten, bevor sie erneut nach Tan suchten. Das ergab Sinn.
    Maianthe holte tief Luft; es klang fast wie ein Schluchzen. Alsdann stemmte sie sich von der Fensterbank hoch.
    Die Wachmänner auf dem Flur, mit denen sie eben gesprochen hatte, waren verschwunden und durch drei neue ersetzt worden. Maianthe fragte sich, ob der Wachwechsel schon kurz bevorgestanden hatte, als sie zuvor auf den Flur hinaustrat, oder ob sie viel länger in der Zauberspirale festgesteckt hatte, als sie glaubte. Obwohl es nicht so furchtbar lange gewesen sein konnte; ansonsten wäre es gar nicht mehr Nacht gewesen, wie sie vermutete. Es sei denn, es war schon eine andere Nacht angebrochen? Nein – das war unmöglich, oder die Wachmänner hätten deutlich stärker beunruhigt gewirkt. Sie war erleichtert, aber auch überrascht, als wäre es tatsächlich leichter gewesen, zu glauben, dass Tage vergangen waren. Oder Wochen. Oder Jahre.
    »Ich gehe hinaus«, sagte sie unvermittelt zu ihnen.
    »Meine Dame …«, hob der Dienstälteste zum Protest an, aber Maianthe ging an ihm vorbei, ohne innezuhalten.
    Sie lief die Treppe hinab, nahm wie ein Kind jeweils zwei Stufen auf einmal, stieß die Tür zum Garten auf und lief durch den Garten zu den Stallungen und Falkenkäfigen.
    Dort blieb sie unmittelbar vor der Tür stehen. Der Lärm der Schlacht schien jetzt deutlich näher – viel zu nahe … Sie konnte einzelne Stimmen inmitten dieses Lärms unterscheiden, das Trappeln von Pferden auf den Straßenpflastern hören, Schwerter zwischen den Sträuchern aufblitzen sehen. Ein einsamer Pfeil stieg in hohem Bogen auf; seine grausame Stahlspitze glomm im Mondlicht wie ein Eiszapfen. Auf seiner langen, glatten Flugbahn zog er Maianthes Blick an, und sie sah ihn aufsteigen, auf dem Höhepunkt der Flugbahn scheinbar zögern und dann sinken. Er durchstieß die Luft mit einem hohen singenden Klang, und durch einen verirrten Zufall der Schlacht bohrte er sich unmittelbar vor Maianthes Füßen in die Gartenerde. Sie starrte auf den summenden, gefiederten Schaft hinab und fand, wie seltsam ähnlich sein pfeifender Flug dem Summen der Spirale geklungen hatte.
    »Herrin!«, rief einer der Wachmänner drängend und packte sie am Arm. »Herrin …«
    »Ja«, sagte Maianthe benommen.
    »Ihr könnt nicht einfach im Garten herumstehen!«, erklärte der Wachsoldat. »Ihr seid hier nicht sicher!«
    Das war absolut richtig, und doch widersetzte sich Maianthe seinem Griff. Sie wusste nicht einmal, warum. Eigentlich wollte sie reden, wusste aber dann nicht, was sie sagen sollte. Irgendwo in der Nähe schrien Männer. In noch größerer Nähe kreischte jemand – ein schriller, qualvoller, bestürzter Laut.
    »Es war ein Pferd; das war nur ein Pferd!«, sagte der Wachmann, als Maianthe zusammenfuhr und nach Luft schnappte. »Ihr könntet jedoch als Nächste getroffen werden, meine Dame! Ihr könnt hier nicht bleiben!«
    Maianthe starrte ihn an. Wäre es ihre Absicht gewesen, ausTiefenau zu fliehen, hätte sie dies in Gesellschaft der Königin getan. Sie hatte gedacht, die Linulariner Befehlshaber würden jemanden zum großen Haus entsenden. Sie hatte gedacht … Es fiel ihr schwer, sich zu erinnern, was sie gedacht hatte. Ganz gewiss war sie nie auf die Idee gekommen, Linulariner Magier könnten ausgerechnet sie gezielt angreifen. Und wenn sie das taten … Wenn sie das wirklich taten … Sie drehte sich unvermittelt um und blickte nach Osten, als könnte sie durch die Stadt und das umliegende Sumpfland und über die Flüsse und durch das höher gelegene Waldland direkt bis nach Kames am äußersten Rand des Deltas blicken. Dorthin, wohin sie Tan geschickt hatte. Wohin ihm, wovon sie sich jetzt überzeugt fand, seine Linulariner Feinde folgen würden. Selbst bis dorthin.
    Und sie würde dann nicht bei ihm sein. Sie wäre nicht zur Stelle, um sich irgendeinem Linulariner Magier entgegenzustellen, der ihn fand. Denn die

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