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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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immer noch studierte und sich darauf vorbereitete, einer zu werden. Seine Mutter hatte nämlich berichtet, dass man dort lange studierte und sie nicht wüsste, wie nur irgendein Junge die nötige Geduld aufbrachte, aber dass es Ges anscheinend gefiel. Andererseits war er schon immer ein stiller, geduldiger Junge gewesen, setzte sie mit verständlichem Stolz hinzu.
    Magier – junge Menschen, die zur zauberischen Begabung erwachten und dann tatsächlich beschlossen, auch Magier zu werden – studierten jahrelang, um ihre Kräfte beherrschen zulernen. Doch hier war Maianthe nun, gefangen im Dunkeln, während ein einzelner schriller Ton um sie rotierte und sie weder Lehrer noch Zeit zum Studieren hatte.
    Sie geriet nicht in Panik. Oder vielleicht tat sie es doch. Sie hatte nur keinen Platz, um im Kreis zu rennen, und keine Möglichkeit, sich zu hören, falls sie schrie – also wie sollte sie es feststellen? Nichts leistete ihr im Dunkeln Gesellschaft außer dem unhörbaren jaulenden Ton. Andere Menschen hörten die glitzernden Stimmen des Regens, und hier war Maianthe mit nichts als diesem unangenehmen Moskitosummen. Das kam ihr beinahe komisch vor, wenn auch nicht wirklich.
    Maianthe folgte dem Laut, den sie beinahe hörte, weil er das Einzige war, dem sie folgen konnte, und ihr nichts anderes einfiel. Sie hätte nicht beschreiben können, wie sie ihm folgte, denn sie hatte kein Gefühl von echter Bewegung. Trotzdem folgte sie ihm nach oben und im Kreis, nach oben und im Kreis, nach oben und im Kreis. Sie fand sich auf einer scharf nach innen führenden Spiralbahn wieder. Diese wand sich grenzenlos eng, wie sie wusste. Sie würde ihr niemals, niemals wieder einen Ausweg öffnen … In diesem Augenblick hätte sie in Panik geraten können. Sie wollte es ja, fand aber nach wie vor keine Möglichkeit, zu schreien oder um sich zu schlagen oder zu weinen. Daher flüchtete sie auf dem Weg zurück, den sie gekommen war: nach unten und im Kreis, nach unten und noch weiter nach unten.
    Der Laut wurde immer tiefer. Maianthe stellte fest, dass sie ihn sehen konnte, wie er vor ihr herlief – ein schmales, schwaches Band aus schimmerndem Licht … Na ja, es war kein Licht und schimmerte auch nicht, aber es ähnelte dem irgendwie. Es verbreiterte sich, wurde dann noch breiter. Maianthe konnte sich selbst nicht sehen, sie konnte überhaupt nichts anderes sehen als das Band aus Licht. Aber sie stellte sich vor, wie sielief, wie sich ihre Beine bewegten, die Arme – wie die Füße auf den Weg trafen, der vom eigenen Lauf erzeugte Wind über ihr Gesicht strich.
    Das Band verbreiterte sich weiterhin und öffnete sich; Maianthe rutschte mit hohem Tempo darauf entlang, sodass sie sich vor einem Absturz zu fürchten begann, vor der Höhe, die sie womöglich herabstürzte. Nur hatte sie noch mehr Angst davor, stehen zu bleiben und bewegungslos in den Grenzen des Weges festzusitzen. Obwohl er nicht mehr sehr beengend war. Er war inzwischen so breit, dass er die Welt zu umfassen schien. Sein schwaches Licht umhüllte Maianthe, blass wie der Schimmer des Mondlichts auf einer Perle. Und dann sah sie, dass tatsächlich ein schwaches Licht sie einhüllte und es tatsächlich Mondlicht war – und mit der Wucht eines bewegungslosen, kraftlosen Aufpralls fand sie sich erneut im nachtdunklen Sonnengemach wieder, wo das Fenster vor ihr offen stand und Mondlicht durch ihre Finger strömte und der kalte Wind über das Gesicht strich.
    Keinerlei jaulende Spirale umschlang sie, auch keine blinde Dunkelheit. Nur das gewöhnliche Licht und die Rufe von Menschen und der Lärm der fernen Schlacht. In gewisser Weise dachte Maianthe beinahe, sie könnte nach wie vor das aufsteigende Band aus Licht sehen, wie es sich durch die Dunkelheit schlängelte, und das tiefe Summen der Spirale warf immer noch irgendwo Echos … Sie wusste nicht, ob sie sich nur an den Laut erinnerte oder ob sie diesen ununterbrochenen Ton tatsächlich hörte, der nicht ganz Musik war. Oder, wenn sie ihn wirklich hörte, ob das nur in ihrem Kopf war oder der Ton real draußen in der Welt erklang.
    Blinzelnd stützte sie sich mit den Händen auf die Fensterbank und schüttelte den Kopf. Sie versuchte zu entscheiden, ob sie jemals wirklich diese seltsame, durch Zauberkraft entstandeneSpirale gehört – oder gesehen – oder erfahren hatte. Ob sie sie selbst in die Nachtluft gezeichnet hatte oder … Nein, sie wusste schon, als ihr dieser Gedanke kam, dass nicht sie selbst

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