Der Grenzgänger
Bewertung meiner Recherche geben, meinte sie. „Aber diese Erzählung ist spannender als mancher Kriminalroman.“ Sabine lachte wohltuend auf. „Außerdem bist du immer unter polizeilicher Kontrolle.“ Ein besseres Alibi könne es nicht für mich geben. Schnell wechselte sie das Thema und berichtete von der Vergnügungsreise mit ihrer Schwester. Sie hätten tolle Sachen eingekauft, alles sei bestens, selbst die Männer würden sich zuvorkommend benehmen. „Ich bringe dir auch etwas mit“, versprach sie mir verheißungsvoll.
„Du brauchst nichts mitzubringen, wenn du zurück bist, reicht’s mir“, brummte ich in meinem Nachtzeug fröstelnd und blickte auf die Uhr. Die Rückkehr von Sabine war während unserer Plauderei über zwei Stunden näher gerückt.
Lange lag ich anschließend wach und ließ mir meine Schilderung noch einmal durch den Kopf gehen. Ich konnte mit mir zufrieden sein. Ich hatte Sabine alles gesagt, was es über diesen Fall zu sagen gab. Lediglich in Bezug auf Renate Leder hatte ich vielleicht einige persönliche Anmerkungen unterschlagen.
In der Kanzlei herrschte große Verblüffung, als ich erschien. „Welch seltener Gast in unseren Reihen“, lästerte mein Chef, „wir dachten, du kommst die nächste Zeit nicht mehr. Es war richtig gemütlich ohne unseren Sklaventreiber. Deine Kollegen haben deinen Kommandoton überhaupt nicht vermisst.“
Ich verkniff mir die derbe Beleidigung, die mir auf den Lippen lag, und verzog mich in mein Büro. Ich war überrascht über den ordentlich aufgeräumten Schreibtisch, auf dem keine einzige Akte lag. „Was ist hier los?“, fragte ich Dieter, der mir gefolgt war und sich frech grinsend in den Besuchersessel gefläzt hatte. „Bin ich etwa arbeitslos?“
„Nein, mein Freund“, beruhigte er mich. „Ich versuche nur eine Neuorganisation unserer Kanzlei, um dich zu entlasten. Die Kollegen sollen merken, dass es auch ohne dich gehen muss.“ Dieter hatte die Bemerkung als Kompliment gemeint und ich hatte sie auch so verstanden. „Die müssen mehr ran und mehr Verantwortung übernehmen. Die ständige Entschuldigung, du hättest alle Akten an dich gezogen, ging mir langsam auf den Geist. Diese Ausrede gilt nicht mehr.“
Ich setzte mich auf meinen Platz und sah Dieter an. „Und was bleibt für mich überhaupt noch zu tun in diesem Haus, Herr Doktor Schulz?“
„Du spielst den Libero, den Ausputzer, den Mann für alle Fälle. Suche dir aus, was dir am besten gefällt“, antwortete mein Freund. „Du bist zu schade für eine schnöde Bürotätigkeit.“ Er sah mich provozierend an. „Und außerdem bist du sowieso immer unterwegs.“ Er hob beschwichtigend die Arme, als ich protestieren wollte. „Immer im Auftrag unserer Mandanten natürlich.“ Dieter erinnerte mich überflüssigerweise an die vertrackten Geschichten, die wir, aber vornehmlich ich, in den letzten Jahren aufgeklärt hatten. „Jetzt haben wir wieder so einen Fall, unsere bedauernswerte Frau Doktor Renate Leder. Was ist eigentlich mit ihr und ihrem Krimiautor Renatus Fleischmann?“
Was sollte schon sein? Ich erzählte auch Dieter die Geschichte, die ich in der Nacht schon Sabine vorgetragen hatte, und kam erneut für mich zu der Feststellung, dass ich alles Wesentliche gesagt hatte.
„Hm.“ Dieter hatte sein Kinn auf die Hände gestützt. „Ziemlich chaotisch, oder?“
Ich sah keinen Grund, ihm zu widersprechen. Ich sah jedoch einen Grund, meinen Brötchengeber aus dem Zimmer zu verweisen, als das Telefon klingelte. Ich mochte es nicht sonderlich, wenn mir jemand bei Telefonaten zuhörte, sofern ich nicht ausdrücklich darum bat.
„Ich bin schon weg“, sagte Dieter spöttisch, „einer muss ja die Fälle bearbeiten, die uns das nötige Kleingeld bringen, damit du deinem wenig profitablen Vergnügen nachgehen kannst.“
Die Einladung zum Mittagessen, die Kommissar Küpper aussprach, lehnte ich aus Zeitmangel bedauernd ab, die Informationen, die er mir lieferte, nahm ich hingegen, ebenfalls nicht begeistert, dankend an. Auch wenn mir die neuen Tatsachen nicht in den Kram passten, so waren sie nun einmal in der Welt und mussten notgedrungen in das noch lichte Gefüge des kriminellen Geschehens eingearbeitet werden.
Im Prinzip dienten die Informationen von Küpper nur einem: dem zwielichtigen Bürgermeister Gerstenkorn. „Der hat ein absolut wasserdichtes Alibi“, berichtete mir der Kripomann aus Düren im Brustton der Überzeugung. „Gerstenkorn ist
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