Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition)
obwohl das Sonnenlicht sehr intensiv war, hatte es einen spröden, eisigen Glanz, der uns nicht wärmte. Bei einer Höhe von 4070 Metern ist Potosí die höchstgelegenste Stadt der Welt. Es ist auch eines der historischen Juwelen Südamerikas und zählt mit über 2000 geschützten Gebäuden aus der Kolonialzeit zum UNESCO Welterbe. Und schließlich ist es auch eine der ärmsten Städte Boliviens. Ihre engen Gassen sind mit dick eingehüllten Indianern überfüllt. Ihre kolonialen Häuser sind unbeheizt. Über der Stadt thront der grau-rosa Kegel des Cerro Rico. Des reichen Bergs.
Der Cerro Rico beherrscht Potosí sowohl physisch als auch historisch. Tatsächlich beherrscht er ein riesiges Stück der südamerikanischen Geschichte. Denn im Jahre 1544, zwölf Jahre nachdem Pizarro Atahualpa in Cajamarka gefangen genommen hatte, fanden die Spanier in Potosí, was sie gesucht hatten. Eigentlich hatte ein Indianer namens Huallpa es bei der Jagd auf Lamas gefunden. Er hatte nämlich Silber gefunden – buchstäblich einen ganzen Berg davon.
Bis dahin war der Berg als Sumaj Orcko bekannt gewesen – der schöne Berg. (Die Namensänderung ist vielsagend.) Die Indianer wussten, dass er Silber enthielt; der Inka Huayna Capaj hatte sogar versucht, es zu schürfen. Aber, so die Legende, sobald seine Männer mit dem Schürfen begonnen hatten, schmetterte eine donnernde Stimme heraus: „Das ist nicht für dich; Gott hat diese Reichtümer jenen vorbehalten, die von weit her kommen.“ Die Indianer flohen vor Schrecken; die Inka benannten den Ort in Potojsi um, was in Quechua „donnern“ bedeutet. 18
---18 Das historische Material auf diesen Seiten stammt hauptsächlich aus Eduardo Galaeno, Open Veins of Latin America.
Der Cerro Rico erfüllte den Traum eines jeden Conquistadore. Bald war Potosí berühmt: Die größte Silbermine der Welt und eine der größten und reichsten Städte, die die Welt jemals gesehen hatte. Cervantes ließ Don Quichotte eine Redewendung prägen, die in die spanische Sprache einfloss – „vale un Potosí“ („so viel wert wie ein Potosí“) steht seither für etwas unglaublich ertragreiches. Bis 1573, nur 28 Jahre nach der Entdeckung des Silbers, war die Bevölkerung Potosís auf 120.000 angewachsen – die Stadt war so groß wie London und größer als Rom, Madrid oder Paris. Sie war zum Mittelpunkt der spanischen Kolonien geworden: Chile lieferte Fleisch; Argentinien lieferte Textilien und Zugtiere; Indianer aus ganz Peru und Bolivien wurden als Arbeiter entsandt. Die spanischen Einwohner Potosís lebten gut. Die Stadt prahlte mit 36 prächtig ausgestatteten Kirchen, 36 Spielhallen, 14 Tanzhallen, Theatern, Stierkampfarenen und Salons. Aus der ganzen Welt wurden die edelsten Luxusgüter importiert: Seide und feine Stoffe aus Italien, Diamanten und Juwelen aus Indien und Ceylon, die neueste Mode aus London und Paris, Teppiche aus Persien, Parfums aus Arabien. Berühmte Künstler wie Holgüin – der „El Greco“ Lateinamerikas – arbeiteten an seinen Kirchen. Sogar Pferde soll man mit Silber beschlagen haben.
Aber für jene, die zur Arbeit in den Minen gezwungen wurden, war das Leben alles andere als luxuriös. Indianer aus dem ganzen Vizekönigreich Peru wurden gezwungen, ihre Wohnorte zu verlassen, damit das Silber stetig floss. Ein Erlass von 1572 verlangte von Indianern und schwarzen Sklaven, dass sie jeweils vier Monate am Stück unter der Erde leben und arbeiten mussten, ohne die Mine zu verlassen oder einmal das Tageslicht zu sehen. Sie waren bei der Arbeit aneinander gekettet. Wenn einer vor Erschöpfung zusammenbrach, wurde sein Körper einfach von den Ketten abgehackt. Minenarbeiter mussten schwere Säcke auf über 20 Meter hohen wackeligen Leitern nach oben tragen; ein Ausrutscher bedeutete den Tod. Die Luft war mit giftigem Staub gefüllt. Acht Millionen Männer könnten an den inhumanen Bedingungen in den Minen von Potosí den Tod gefunden haben – durch Unfälle, Erschöpfung, einbrechende Schächte oder Staublunge.
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El Tio
„Bolivianer sterben an verrotteten Lungen, damit die Welt bil liges Zinn verbrauchen kann. Was kümmert das bittere Leben des bolivianischen Minenarbeiters den Konsumenten von Konserven oder die Manipulatoren der Devisenbörse?“
Open Veins of Latin America , Eduardo Galaeno
Wir machten eine Reise zu einer der Minenkooperativen, die heute die erschöpften Flöze des Cerro Rico abbauen.
Seit 1985 der
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