Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
uns einfach zu dem Hotel, das wir ihnen genannt haben. Sonst zahlen wir nicht.“ Das funktio nierte. Grummelnd brachte er uns zum Hotel. Er machte eine Ge ste mit dem Finger quer über den Hals um zu demonstrieren, was mit uns geschehen würde. Wir stiegen aus und bezahlten. „Hey, was ist mit der Zeit, die ich investiert habe, um ein ver nünftiges Hotel für sie zu finden?“, meckerte er. „Spielt man in Kolumbien Cricket?“, fragte Melissa, als er da vonfuhr. „Ich glaube nicht, warum?“ „Ich habe nur gedacht, das war das Signal für „lbw“ – ‚Leg be fore Wicket‘. Da fliegt der Schlagmann raus.“ Das Hotel war zugegebenermaßen eine Absteige – wie die mei sten Hotels, die man in Innenstädten findet. Aber wenigstens wur den wir nicht ausgeraubt oder ermordet. Die Karten zu bekom men, die wir brauchten, überstieg aber unsere Möglichkeiten. In Kolumbien sind Militärkarten die einzigen Karten, die zum Wan dern taugen (mit Höhenlinien und ähnlichen Einzelheiten). Aber auch die sind nicht ideal. Sie basieren auf Luftbildern: Wenn die Fotos an einem bewölkten Tag aufgenommen wurden, haben die Karten weiße Lücken, wo Wolken die Geländebeschaffenheit ver bergen. Etwas Besseres gab es aber nicht. Man musste zu einem speziellen Amt gehen, um sie zu beantragen, und konnte am näch sten Tag eine Fotokopie abholen.
Das Amt war verzogen. Niemand konnte uns die neue Adres se nennen. Wir brauchten den ganzen Tag, um es zu finden. Als wir ankamen, hatte es gerade geschlossen. Am nächsten Tag ka men wir früh hin. Als wir aber die gewünschten Karten auf den Schreibtisch legten, sagte uns der Angestellte, dass es sich dabei um Sperrgebiete handeln würde. Er würde eine Erlaubnis brau chen, um sie herauszugeben. Das Amt, das für die Freigabe zu ständig war, war auf der anderen Seite der Stadt.
Auf der anderen Seite der Stadt wollte uns der Soldat am Tor nicht hereinlassen, wenn ich nicht ein Jackett und eine Krawatte trug. Dergleichen hatte ich aber nicht. Er rief einen Offizier an. Der Offizier sagte, so seien die Regeln: Ohne Jackett kein Einlass. Ohne Einlass keine Karten.
Nachdem es uns schon nicht gelungen war, die Karten zu be kommen, versuchten wir, Inderena zu finden – die Regierungsa gentur, die die Nationalparks betreibt. Hier wollten wir eine Er laubnis bekommen, die Sierra Nevada de Santa Marta zu besuchen. Das Amt war verzogen. Niemand konnte uns die neue Adresse nennen. Wir verbrachten einen weiteren Tag damit, es zu suchen. Schließlich fanden wir es. Es lag in der Nähe des Wohnhauses des Präsidenten; die Straßen waren von Soldaten und Polizisten gesäumt. „Die Erlaubnis muss man in Santa Marta beantragen, nicht hier“, sagte der Mann auf dem Amt. An diesem Abend las ich die Zeitung. Eine Schlagzeile lautete: „Diesen Monat haben Taxifahrer in Bogotá im Streit um Fahr preise fünf Passagiere erschossen.“
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El Dorado
Das Beste an Bogotá ist das Goldmuseum. Es enthält nicht nur einige wunderschöne Stücke (die frühen Kolumbianer wa ren Meister der Goldschmiedekunst), sondern es erklärt auch die vorkolumbianische Geschichte „Kolumbiens“.
Kolumbien gehörte zu einer Zwischenregion, die die beiden kulturellen Zentren Peru und Mesoamerika (d.h., Mexiko/Gua temala) trennte. Die uneinheitliche Geographie des Landes hat te zur Folge, dass sich mehrere regionale Kulturen anstelle eines einheitlichen Reiches entwickelten: Es gab San Agustín und Tier radentro, die Tayrona Indianer bei Santa Marta und die Muisca um Bogotá.
Von den Muisca geht die Legende vom „El Dorado“ – „dem Gol denen“ – aus. In der Laguna de Guatavita, einem Meteoriten-Kra tersee eine Stunde nördlich von Bogotá, waren Muisca-Häuptlinge von Kopf bis Fuß mit Gold bemalt in die Mitte des Sees gerudert, wo sie im Rahmen eines Rituals ins Wasser sprangen, das ihnen göttliche Macht übertragen sollte.
1578 wurde der See von einem gewissen Antonio de Sepúlveda trockengelegt; er hatte den Kraterrand an einer Stelle aufreißen lassen, um an das Gold heranzukommen, das im Lauf der Jahre von den Körpern der Muisca-Häuptlinge abgewaschen worden war. Er fand 10 Gramm Gold und war total pleite, als er starb. Später wurden zwei weitere, ähnlich erfolglose Versuche un ternommen – einer im neunzehnten und einer (von einer eng lischen Firma) im zwanzigsten Jahrhundert. Wir verließen Bogotá und fuhren nach Norden. Es war nicht wegen der Gefährlichkeit der Stadt. Es war sogar eine
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