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Der größere Teil der Welt - Roman

Der größere Teil der Welt - Roman

Titel: Der größere Teil der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Egan
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aus zu, wie sie ihre langen Haare ausschüttelt und sich mit einem Kamm, dessen Zähne weit auseinanderstehen, die Knoten auskämmt. Dann lässt sie den Kimono fallen und fängt an, sich anzuziehen: einen schwarzen Spitzen- BH mit Slip, zerfetzte Jeans, ein verwaschenes schwarzes T-Shirt, Doc Martens. Im vergangenen Jahr, nachdem Bix und Lizzie sich zusammengetan hatten, hast du angefangen, in Sashas Zimmer zu übernachten, du hast in Lizzies Bett geschlafen, nur einen Meter von Sashas entfernt. Du kennst die Narbe an ihrem linken Knöchel, von einem Bruch, der operiert werden musste, als er nicht richtig verheilte, du kennst den Großen Wagen aus rötlichen Muttermalen um ihren Nabel und ihren Mottenkugelmundgeruch gleich nach dem Aufwachen. Alle haben euch für ein Paar gehalten – so tief ging die Sache mit dir und Sasha. Sie weinte oft im Schlaf, und du bist zu ihr ins Bett gekrochen und hast sie in den Arm genommen, bis sie wieder langsam und regelmäßig atmete. Sie fühlte sich in deinen Armen so leicht an. Du bist mit Sasha im Arm eingeschlafen und mit einem Ständer aufgewacht, und dann lagst du nur da, hast gewartet, dass dieser Körper, den du so gut kanntest, seine Haut und seine Gerüche mit deinem Bedürfnis, jemanden zu ficken, zu einem einzigen Impuls verschmolzen. Na los, mach was draus und benimm dich ausnahmsweise mal wie ein normaler Mensch, aber du hattest zu große Angst davor, deine Lust auf die Probe zu stellen, du wolltest die Sache mit Sasha nicht verderben, falls alles schiefging. Es war der größte Fehler deines Lebens, Sasha nicht zu ficken – das wurde dir mit brutaler Deutlichkeit klar, als sie sich in Drew verliebte, und du warst erschlagen von einer so extremen Reue, dass du zuerst geglaubt hast, es nicht überleben zu können. Du hättest dich an Sasha halten und gleichzeitig normal werden können, aber du hast es nicht einmal versucht – du hast die einzige Chance vergeudet, die Gott dir vor die Füße geworfen hat, und jetzt ist es zu spät.
    Vor den anderen nahm Sasha oft deine Hand oder legte die Arme um dich und küsste dich – das war für den Detektiv. Überall konnte einer sein, konnte zusehen, wie ihr auf dem Washington Square eine Schneeballschlacht veranstaltet habt, wobei Sasha dir auf den Rücken sprang und ihre flauschigen Fäustlinge Fussel auf deiner Zunge hinterließen. Er war der unsichtbare Begleiter, den ihr über Schüsseln voll gedünstetem Gemüse im Dojo gegrüßt habt. (»Ich möchte, dass er sieht, wie gesund ich mich ernähre«, sagte sie.) Ab und zu stelltest du konkrete Fragen, die den Detektiv betrafen: Hatte ihr Stiefvater ihn noch einmal erwähnt? War sie ganz sicher, dass es keine Detektivin war? Was glaubte sie, wie lange diese Überwachung andauern würde? – aber diese Gedanken schienen Sasha zu ärgern, deshalb hast du irgendwann damit aufgehört. »Er soll wissen, dass ich glücklich bin«, sagte sie. »Er soll sehen, dass es mir wieder gut geht – dass ich noch normal bin, trotz allem, was passiert ist.« Und das wolltest du auch.
    Als sie Drew kennenlernte, vergaß Sasha den Detektiv. Drew ist immun gegen Detektive. Sogar ihr Stiefvater mag ihn.
    Es ist nach zehn, als du und Sasha euch mit Drew an der Ecke Third Avenue und Saint Mark’s trefft. Seine Augen sind rot vom Schwimmen, seine Haare nass. Er küsst Sasha, als ob sie sich seit einer Woche nicht mehr gesehen hätten. »Meine ältere Frau« nennt er sie manchmal, und er findet es wunderbar, dass sie in der weiten Welt allein unterwegs gewesen ist. Natürlich weiß Drew nichts darüber, wie schlimm Sashas Lage in Neapel war, und seit Neuestem hast du das Gefühl, dass sie selber anfängt, es zu vergessen, und einen Neuanfang zu machen als diejenige, die sie in Drews Augen ist. Dabei wird dir schlecht vor Neid, warum hast du das Sasha nicht ermöglichen können? Wer wird es dir ermöglichen?
    Auf der East Seventh kommt ihr am Haus von Bix und Lizzie vorbei, aber dort brennt kein Licht – Lizzie ist mit ihren Eltern unterwegs. Auf den Straßen wimmelt es von Menschen, offenbar lachen die meisten, und wieder denkst du über die Veränderung nach, die Sasha gespürt hat, als in Washington D.C. die Sonne aufging – ob diese Leute es auch spüren und ob ihr Lachen daher rührt.
    Auf der Avenue A bleibt ihr drei vor dem Pyramid Club stehen und hört zu. »Noch immer die zweite Band«, sagt Sasha, deshalb geht ihr wieder über die Straße und kauft Eiscreme-Soda an dem russischen

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