Der groesste Teil der Welt
Freundin aus Texas haben muss. Es tut mir leid, dass ich ein Arschloch bin. Es tut mir leid, dass ich dich nervös mache, weil ich Selbstmord begehen wollte. Es tut mir leid, dass ich dir einen netten Nachmittag versaut habe…« Du hast einen Kloß im Hals, und deine Augen werden feucht, als du siehst, wie ihre Gesichter sich von steinern in traurig verwandeln, und es ist ungeheuer rührend und süß, nur dass du nicht ganz da bist - ein Teil von dir steht ein paar Meter weiter entfernt oder drüber und denkt, alles klar, sie werden dir verzeihen, sie werden dich nicht im Stich lassen, und die Frage ist, wer von beiden ist wirklich »du«, der, der irgendwas sagt oder tut, oder der, der dabei zusieht?
Du verlässt die Wohnung von Bix und Lizzie zusammen mit Sasha und Drew und ihr geht nach Westen, in Richtung Washington Square. In den Narben an deinem Handgelenk zuckt es kalt. Sasha und Drew sind zu einem Zopf aus Ellbogen, Schultern und Taschen verschlungen, weshalb ihnen vermutlich wärmer ist als dir. Als du zu Hause in Tampa warst, um wieder auf die Füße zu kommen, sind sie mit dem Greyhound nach Washington d.c. zur Amtseinführung gefahren und die ganze Nacht aufgeblieben und haben den Sonnenaufgang über der Mall gesehen, und dabei (sagen sie beide) hatten sie das Gefühl, dass die Welt sich direkt vor ihrer Nase veränderte. Du hast höhnisch gelacht, als Sasha dir das erzählt hat, aber seither ertappst du dich immer wieder dabei, wie du auf der Straße Fremden ins Gesicht blickst und dich fragst, ob sie das auch empfinden: eine Veränderung, die mit Bill Clinton zu tun hat, oder etwas noch Größeres, das überall ist - in der Luft, im Boden - sichtbar für alle, nur nicht für dich.
Am Washington Square verabschiedest du dich mit Sasha von Drew, der schwimmen gehen und sich das Dope aus dem Kopf spülen will. Sasha hat ihren Rucksack auf und will in die Bibliothek.
»Zum Glück«, sagt du. »Endlich weg.« Du kannst offenbar nicht aufhören, in Sätzen aus zwei Wörtern zu reden, so gern du das auch tätest.
»Sehr freundlich«, stellt Sasha fest.
»War’n Witz. Toller Typ.«
»Weiß ich.«
Dein Trip lässt nach, und da, wo dein Kopf sein sollte, ist jetzt nicht mehr als ein Karton voller Fusseln. High zu werden ist für dich was Neues - dass du nie high geworden bist, war der einzige Grund, warum du Sasha am Infotag für die Collegeanfänger im vorigen Jahr auf dem Washington Square aufgefallen bist. Sie stand vor dir mit ihren hennaroten Haaren in der Sonne, ihre lebhaften Augen sahen dich eher von der Seite aus an als von vorn. »Ich brauche dringend jemanden, der so tut, als wäre er mein Freund«, sagte sie. »Würdest du das übernehmen?«
»Was ist mit deinem echten?«, fragtest du.
Sie setzte sich neben dich und erklärte es dir: Auf der Highschool, zu Hause in L.A., war sie mit dem Drummer einer Band durchgebrannt, von der du noch nie gehört hattest, sie hatte das Land verlassen und war allein durch Europa und Asien gereist - und hatte nicht einmal die Schule beendet. Jetzt fing sie mit fast einundzwanzig das College an. Ihr Stiefvater hatte sämtliche Strippen gezogen, um ihr diesen Studienplatz zu besorgen. In der vergangenen Woche hatte er ihr mitgeteilt, er habe einen Detektiv angeheuert, um sicherzustellen, dass sie auch allein in New York »auf dem rechten Weg« blieb. »Gerade jetzt könnte irgendwer mich überwachen«, sagte sie und schaute über den Platz mit den vielen jungen Leuten hinweg, die einander allesamt zu kennen schienen. »Es kommt mir echt so vor.«
»Soll ich vielleicht den Arm um dich legen?«
»Ja bitte.«
Du hast irgendwo mal gehört, dass man sich glücklicher fühlt, wenn man lächelt; als du den Arm um Sasha legtest, wolltest du sie auf einmal beschützen. »Warum ich?«, fragtest du. »Nur so aus Neugier.«
»Du bist nett«, sagte sie. »Und du siehst nicht zugedröhnt aus.«
»Ich bin Footballspieler«, sagtest du. »War ich.«
Ihr musstet Bücher kaufen, du und Sasha, ihr seid zusammen losgegangen. Du hast Sasha im Wohnheim besucht, wo du Lizzie, ihre Mitbewohnerin, dabei erwischt hast, wie sie hinter deinem Rücken das Daumen-rauf-Zeichen gab. Um halb sechs habt ihr eure Mensatabletts vollgeladen, und du hast beim Spinat zugeschlagen, weil alle behaupten, dass Footballmuskeln sich in Gelee verwandeln, wenn man aufhört zu spielen. Ihr habt beide eure Bibliotheksausweise bekommen, seid zurück in eure Wohnheime gegangen und habt euch dann um
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