Der groesste Teil der Welt
verbringen, wo er für seine Doktorarbeit forscht. Dabei wohnen Lizzies Eltern nicht einmal bei ihr - sie wohnen in einem Hotel! Aber wenn Lizzie in derselben Stadt, in der ihre Eltern sich aufhalten, mit einem Schwarzen schläft, dann kriegen sie das einfach mit.
Lizzie schiebt ihren Oberkörper aus dem Fenster. Sie trägt einen winzigen blauen Rock und braune Lacklederstiefel, die bis über die Knie hinauf reichen. In Gedanken ist sie schon Modezeichnerin.
»Was macht die Scheinheilige?«, fragst du und bist betrübt, weil dieser Satz vier Wörter hat.
Lizzie fährt zu dir herum und läuft rot an. »Soll damit meine Mutter gemeint sein?«
»Das nicht.«
»So kannst du in meiner Wohnung nicht reden, Rob«, sagt sie und spricht mit der beherrschten Stimme, mit der seit deiner Rückkehr aus Florida alle sprechen, einer Stimme, die dir keine Wahl lässt, als auszutesten, wie weit du gehen musst, bis sie die Beherrschung verlieren.
»Nicht drin.« Du zeigst auf die Feuerleiter.
»Oder auf meiner Feuerleiter.«
»Nicht deine«, korrigierst du sie. »Auch Bix’. Oder, nein. Der Stadt.«
»Scheiß auf dich, Rob«, sagt Lizzie.
»Dich auch«, grinst du, weil du dich über die Anzeichen von echter Wut in einem Menschengesicht freust. Die hast du länger nicht mehr gesehen.
»Reg dich ab«, sagt Sasha zu Lizzie.
»Entschuldigung? Ich soll mich abregen?«, fragt Lizzie. »Der ist doch das totale Arschloch. Seit er wieder da ist.«
»Das sind erst zwei Wochen«, sagt Sasha.
»Ich finde es großartig, wie sie über mich reden, als wäre ich nicht dabei«, teilst du Drew mit. »Halten die mich für tot?«
»Die halten dich für stoned.«
»Da haben sie recht.«
»Ich auch.« Drew klettert die Feuerleiter hoch, bis er einige Stufen über dir ist, und hockt sich dort hin. Er holt tief Luft, genüsslich, und du holst ebenfalls Luft. In Wisconsin hat Drew mit Pfeil und Bogen einen Elch erlegt, hat ihn gehäutet, das Fleisch zerteilt und auf Schneeschuhen im Rucksack nach Hause getragen. Vielleicht war das ja auch ein Witz. Er und seine Brüder haben mit bloßen Händen eine Blockhütte gebaut. Er ist an einem See aufgewachsen, und jeden Morgen, sogar im Winter, ist Drew darin schwimmen gewesen. Jetzt trainiert er im Schwimmbad der nytj, aber das Chlor tut seinen Augen weh, und wenn man ein Dach über dem Kopf hat, ist es nicht dasselbe, sagt er. Aber er geht dort trotzdem oft schwimmen, vor allem, wenn er verkatert oder angespannt oder mit Sasha zerstritten ist. »Dann bist du sicher mit Schwimmen groß geworden«, sagte er, als er hörte, dass du aus Florida kommst, und du sagtest, Natürlich, aber in Wirklichkeit hast du Wasser noch nie ausstehen können, und nur Sasha weiß das über dich.
Du lässt dich von der Feuerleiter zum anderen Ende der Plattform herunter, wo man durch ein Fenster in den kleinen Alkoven schauen kann, in dem Bix’ Computer steht. Bix hockt davor mit seinen zigarrendicken Dreadlocks und schreibt Mitteilungen an Kommilitonen, die sie dann an ihren Computern lesen, und liest ihre Antworten. Bix behauptet, dass diese Mitteilungsverschickerei per Computer eine riesensache werden wird - viel mehr noch als das Telefon. Er ist ganz groß im Weissagen, und du hast ihn auch nicht ernsthaft provoziert - vielleicht, weil er älter ist, vielleicht, weil er schwarz ist.
Als er dich in deinen schlabberigen Jeans und deinem Footballtrikot, das du jetzt aus irgendeinem Grund wieder trägst, vor seinem Fenster sieht, schreckt Bix auf. »Scheiße, Rob«, sagt er. »Was machst du denn da draußen?«
»Dir zuschauen.«
»Du hast Lizzie total gestresst.«
»Tut mir leid.«
»Dann komm rein und sag es ihr.«
Du steigst durch Bix’ Fenster hinein. Genau über seinem Schreibtisch hängt ein Plakat vom Jüngsten Gericht, aus der Kathedrale von Albi. Du erinnerst dich daran aus deinem Einführungsseminar in Kunstgeschichte im vergangenen Jahr, einem Seminar, das dir so gut gefallen hat, dass du außer bwl noch Kunstgeschichte belegt hast. Du fragst dich, ob Bix vielleicht religiös ist.
Im Wohnzimmer sitzen Sasha und Lizzie auf dem Futon und machen finstere Gesichter. Drew sitzt noch immer draußen auf der Feuerleiter.
»Tut mir leid«, sagst du zu Lizzie.
»Ist schon gut«, sagt sie, und du weißt, du solltest es dabei belassen, es ist in Ordnung, belass es dabei, aber irgendein verrückter Motor treibt dich an. »Es tut mir leid, dass deine Mom so scheinheilig ist. Es tut mir leid, dass Bix eine
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