Der groesste Teil der Welt
passiert ist.« Und das wolltest du auch.
Als sie Drew kennenlernte, vergaß Sasha den Detektiv. Drew ist immun gegen Detektive. Sogar ihr Stiefvater mag ihn.
Es ist nach zehn, als du und Sasha euch mit Drew an der Ecke Third Avenue und Saint Mark’s trefft. Seine Augen sind rot vom Schwimmen, seine Haare nass. Er küsst Sasha, als ob sie sich seit einer Woche nicht mehr gesehen hätten. »Meine ältere Frau« nennt er sie manchmal, und er findet es wunderbar, dass sie in der weiten Welt allein unterwegs gewesen ist. Natürlich weiß Drew nichts darüber, wie schlimm Sashas Lage in Neapel war, und seit Neuestem hast du das Gefühl, dass sie selber anfängt, es zu vergessen, und einen Neuanfang zu machen als diejenige, die sie in Drews Augen ist. Dabei wird dir schlecht vor Neid, warum hast du das Sasha nicht ermöglichen können? Wer wird es dir ermöglichen?
Auf der East Seventh kommt ihr am Haus von Bix und Lizzie vorbei, aber dort brennt kein Licht – Lizzie ist mit ihren Eltern unterwegs. Auf den Straßen wimmelt es von Menschen, offenbar lachen die meisten, und wieder denkst du über die Veränderung nach, die Sasha gespürt hat, als in Washington d.c. die Sonne aufging - ob diese Leute es auch spüren und ob ihr Lachen daher rührt.
Auf der Avenue A bleibt ihr drei vor dem Pyramid Club stehen und hört zu. »Noch immer die zweite Band«, sagt Sasha, deshalb geht ihr wieder über die Straße und kauft Eiscreme-Soda an dem russischen Zeitungskiosk und trinkt es auf einer Bank im Tompkins Square Park, der erst im vorigen Sommer wiedereröffnet worden ist.
»Schau mal«, sagst du und öffnest deine Hand. »Drei gelbe Pillen.« Sasha seufzt, ihre Geduld ist fast am Ende.
»Was ist das?«, fragt Drew fasziniert.
Er ist ein Optimist und glaubt fest daran, dass alles Neue ihn bereichert und ihm nicht wehtun kann. In letzter Zeit hast du dich dabei ertappt, dass du diese Eigenschaft bei Drew ausgenutzt und ihm einen Brotkrümel nach dem anderen hingeworfen hast. »Ich möchte es mit dir machen«, sagt er zu Sasha, aber sie schüttelt den Kopf. »Ich habe deine Drogenphase verpasst«, sagt er wehmütig.
»Gott sei Dank«, sagt Sasha.
Du wirfst eine Pille ein und steckst die beiden anderen wieder in die Tasche. Du fängst an, das Ecstasy zu spüren, sobald du den Club betrittst. Das Pyramid ist gerammelt voll. Die Conduits sind seit Jahren groß in der Collegeszene, aber Sasha ist davon überzeugt, dass ihr neues Album der pure Geniestreich ist und Multiplatin holen wird. Sie steht gern direkt vor der Bühne, mit vollem Blick auf die Band, aber du brauchst mehr Abstand. Drew hält sich an Sasha, aber als Bosco, der durchgeknallte Leadgitarrist der Conduits, wie eine wild gewordene Vogelscheuche herumtobt, merkst du, dass auch er zurückweicht.
Du bist jetzt in einem Zustand tief im Magen kitzelnden Glücks, und es fühlt sich so an, wie du es dir als Kind vom Erwachsenenleben erhofft hast: Ein angenehmer Orientierungsverlust und die Erlösung aus dem ewigen Hamsterrad aus Mahlzeiten und Hausarbeiten und Kirchgang und So darfst du aber nicht mit deiner Schwester reden, Robert junior. Du hast dir immer einen Bruder gewünscht. Du wünschtest, Drew wäre dein Bruder. Dann hättet ihr die Blockhütte zusammen bauen und darin schlafen können, während sich vor den Fenstern der Schnee auftürmte. Ihr hättet den Elch schlachten und anschließend eure von Blut und Fell besudelten Kleider neben einem Lagerfeuer ablegen können. Wenn du Drew nackt sehen könntest, und sei es nur einmal, wäre das eine enorme Erleichterung für den schrecklichen tiefsitzenden Druck in deinem Innern.
Bosco wird über deinen Kopf geworfen, sein Hemd ist verschwunden, sein magerer Oberkörper klebrig von Bier und Schweiß. Deine Hände rutschen über seine harten Rückenmuskeln. Er spielt noch immer Gitarre und brüllt ohne Mikrofon weiter. Drew entdeckt dich und kommt kopfschüttelnd näher. Bevor er Sasha kennenlernte, war er noch nie auf einem Konzert gewesen. Du fischst eine der restlichen gelben Pillen aus der Tasche und drückst sie ihm in die Hand.
Vor einer Weile hast du etwas lustig gefunden, aber du weißt nicht mehr, was es war. Auch Drew scheint es nicht zu wissen, obwohl ihr euch in hilfloser Hysterie krümmt.
Sasha dachte, ihr würdet nach dem Konzert drinnen auf sie warten, deshalb braucht sie eine Weile, um dich und Drew auf der Straße zu finden. Ihre Augen wandern in dem grellen Laternenlicht zwischen euch hin
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