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Der groesste Teil der Welt

Der groesste Teil der Welt

Titel: Der groesste Teil der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Egan
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und her. »Aha«, sagt sie. »Schon verstanden.«
    »Nicht böse sein«, sagt Drew. Er versucht, dich nicht anzusehen - wenn ihr einander anschauen würdet, wäre alles verloren. Aber du kannst nicht aufhören, Drew anzusehen.
    »Ich bin nicht böse«, sagt Sasha. »Ich langweile mich.« Sie ist dem Produzenten der Conduits vorgestellt worden, Bennie Salazar, und er hat sie auf eine Party eingeladen. »Ich dachte, wir könnten alle zusammen hingehen«, sagt sie zu Drew. »Aber du bist zu bedröhnt.«
    »Der will gar nicht mit dir gehen«, johlst du, und das Lachen und der Rotz prusten dir aus der Nase. »Er will mit mir kommen.«
    »Stimmt«, sagt Drew.
    »Schön«, sagt Sasha wütend. »Dann sind ja alle glücklich.«
    Ihr zwei taumelt von ihr weg. Ihr seid noch über mehrere Blocks mit eurer Heiterkeit beschäftigt, aber die hat auch etwas Krankhaftes, wie ein Jucken, das sich durch Haut und Muskeln und Knochen bohren wird, wenn du weiter daran kratzt, bis es dein Herz in Stücke reißt. Irgendwann musstet ihr beide stehen bleiben und euch auf eine Treppe setzen, aneinandergelehnt und beinahe schluchzend. Ihr kauft eine Anderthalb-Liter-Packung Orangensaft und reißt sie an einer Ecke auf, der Saft läuft euch übers Kinn und durchtränkt eure gefütterten Jacken. Du hältst dir den Karton mit der Öffnung nach unten über den Mund und fängst ganz hinten im Rachen die letzten Tropfen auf. Als du den Karton wegwirfst, ragt die Stadt düster um euch herum auf. Ihr seid an der Ecke Second Street und Avenue B. Die Leute tauschen beim Händeschütteln kleine Flaschen aus. Aber Drew streckt bloß den Arm aus und spürt das Ecstasy bis in die Fingerspitzen. Du hast ihn noch nie ängstlich gesehen, immer nur neugierig.
    »Ich hab kein gutes Gefühl«, sagst du. »Wegen Sasha.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagt Drew. »Sie wird uns verzeihen.«
    Nachdem deine Handgelenke genäht und verbunden und nachdem das Blut irgendeines anderen Menschen in dich hineingepumpt worden war und während deine Eltern auf dem Flughafen von Tampa auf den ersten Abflug warteten, schob Sasha die Infusionsschläuche beiseite und stieg im St. Vincent’s-Krankenhaus in dein Bett. Trotz der Medikamente pochten deine Handgelenke vor Schmerzen.
    »Bobby?«, flüsterte sie. Ihr Gesicht berührte deines fast. Sie atmete deinen Atem, und du atmetest ihren, der vor Angst und Schlafmangel malzig roch. Sasha hatte dich gefunden. Zehn Minuten später, hatten sie gesagt.
    »Bobby, hör mir zu.«
    Sashas grüne Augen waren dicht vor deinen, eure Wimpern verfingen sich ineinander. »In Neapel«, sagte sie, »gab es auch Leute, die sich verloren fühlten. Du wusstest, dass sie niemals zu dem, was sie gewesen waren, oder in ein normales Leben zurückkehren würden. Und dann waren da andere, von denen du dachtest, vielleicht schaffen die es.«
    Du versuchtest zu fragen, zu welcher Gruppe Lars aus Schweden gehört hatte, aber es kam nur ein Nuscheln heraus.
    »Hör zu«, sagte sie. »Bobby. Jeden Moment schmeißen die mich hier raus.«
    Du öffnetest die Augen, dir war nicht klar, dass sie wieder zugefallen waren.
    »Ich sage dir, wir werden am Ende überleben«, sagte Sasha.
    Wie sie mit dir redete, befreite deinen Kopf für kurze Zeit von dem Nebel, mit dem du vollgepumpt worden warst, als hätte sie einen Umschlag geöffnet und dir ein Ergebnis vorgelesen, das du dringend erfahren musstest. Als wärst du auf frischer Tat ertappt worden und würdest jetzt zur Ordnung gerufen.
    »Nicht alle schaffen das. Wir schon, verstanden?«
    Sie lag neben dir, und eure Körper berührten sich, wie so oft in den Nächten, ehe sie Drew kennengelernt hatte. Du konntest spüren, wie Sashas Stärke in deine Haut strömte. Du hast versucht, sie festzuhalten, aber deine Finger waren Stümpfe von ausgestopften Tieren, und du konntest sie nicht bewegen.
    »Das bedeutet, dass du das nie wieder tun darfst«, sagte sie. »Nie, nie wieder. Versprichst du mir das, Bobby?«
    »Versprochen.« Und das war ehrlich gemeint. Ein Sasha gegebenes Versprechen würdest du nicht brechen.
     
    »Bix!«, brüllt Drew. Er rennt die Avenue B hoch, seine Stiefel klappern über das Pflaster. Bix ist allein, die Hände in den Taschen seiner grünen Armeejacke.
    »Mannomann«, sagt er und lacht, als er an Drews Augen erkennt, wie high er ist. Dein eigener Trip lässt gerade nach. Eigentlich wolltest du die letzte Pille einwerfen, aber du bietest sie stattdessen Bix an.
    »Ich mach das eigentlich nicht

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