Der groesste Teil der Welt
zuerst wird das seltsam wirken, aber ziemlich bald wird es seltsam wirken, dass man je irgendwen verlieren oder verloren gehen konnte.«
Bix hat ein besonderes Wissen, denkst du - er hat es immer gewusst vor diesem Computer, und jetzt reicht er sein Wissen weiter. Stattdessen sagst du: »Wirst du dann endlich Lizzies Eltern kennenlernen?«
Die Überraschung zeigt sich deutlich in Bix’ Gesicht, und er macht beim Lachen ein heftiges, lärmendes Geräusch. »Ich weiß nicht, Rob«, sagt er und schüttelt den Kopf. »Vielleicht nicht - vielleicht wird gerade das sich niemals ändern. Aber ich stelle es mir gern so vor.« Er reibt sich die Augen, die plötzlich müde aussehen, und sagt: »Apropos. Zeit, wieder nach Hause zu gehen.«
Er stiefelt los, die Hände in den Taschen seiner Armeejacke, aber es dauert noch eine Weile, ehe bei dir ankommt, dass er wirklich weg ist. Du ziehst den letzten Joint aus deiner Brieftasche und rauchst ihn mit Drew, während ihr nach Süden geht. Der Fluss ist still, keine Schiffe in Sicht, ein paar zahnlose alte Knacker sind unter der Williamsburg-Brücke beim Angeln.
»Drew«, sagst du.
Er betrachtet das Wasser, mit dieser zugedröhnten Zerstreutheit, die alles zu einem interessanten Studienobjekt macht. Du lachst nervös, und er dreht sich um. »Was ist?«
»Ich wünschte, wir könnten in dieser Hütte wohnen. Du und ich.«
»Welche Hütte?«
»Die du gebaut hast. In Wisconsin.« Du siehst Drew die Verwirrung an und fügst hinzu: »Wenn da eine Hütte ist.«
»Natürlich ist da eine Hütte.«
Dein Trip löst die Luft in Punkte auf, dann Drews Gesicht, das sich mit einem neuen Misstrauen wieder zusammensetzt, das dich erschreckt. »Ich würde Sasha vermissen«, sagt er langsam. »Du etwa nicht?«
»Du kennst sie gar nicht richtig«, sagst du atemlos und ein wenig verzweifelt. »Du weißt nicht, wen du vermissen würdest.«
Ein riesiger Lagerschuppen hat sich zwischen Fußweg und Fluss geschoben, und ihr geht daran vorbei. »Was weiß ich nicht über Sasha?«, fragt Drew in seinem üblichen freundlichen Tonfall, aber etwas ist anders - du spürst schon, wie er sich abwendet, und gerätst in Panik.
»Sie ist auf den Strich gegangen«, sagst du. »Sie ist auf den Strich gegangen und hat geklaut - so hat sie in Neapel überlebt.«
Als du das aussprichst, erklingt in deinen Ohren ein Kreischen. Drew bleibt stehen. Du bist sicher, dass er dich schlagen wird, und machst dich darauf gefasst.
»Das ist Wahnsinn«, sagt er. »Und du bist ein Arschloch, so was zu sagen.«
»Frag sie doch«, brüllst du, um das Kreischen zu übertönen. »Frag sie nach dem flötespielenden Lars aus Schweden.«
Drew geht wieder los, mit gesenktem Kopf. Du gehst neben ihm her, und deine Schritte verraten deine Panik: Was hast du getan? Was hast du getan? Was hast du getan? Was hast du getan? Der fdr verläuft über euren Köpfen mit donnernden Reifen und Abgasen in eurer Lunge.
Drew bleibt wieder stehen. Er schaut dich durch die trübe, ölige Luft an, als ob er dich noch nie gesehen hätte. »Wow, Rob«, sagt er. »Du bist wirklich und wahrhaftig ein Arschloch.«
»Du bist der Letzte, der es erfährt.«
»Nicht ich, Sasha.«
Er dreht sich um und läuft davon, lässt dich allein zurück.
Du rennst ihm nach, in wilder Panik überzeugt, dass es den Schaden, den du angerichtet hast, wiedergutmachen wird, wenn du Drew aufhalten kannst. Sie weiß es nicht, sagst du dir, sie weiß es noch nicht. Solange du Drew sehen kannst, weiß sie es nicht.
Du verfolgst ihn am Flussufer, höchstens ein paar Meter hinter ihm, halb rennend, um mit ihm Schritt zu halten. Einmal dreht er sich um: »Hau ab! Ich will nicht in deiner Nähe sein!« Aber du spürst seine Verwirrung darüber, wo er hingehen, was er tun soll, und das beruhigt dich. Noch ist nichts passiert.
Zwischen der Manhattan- und der Brooklyn-Brücke bleibt Drew vor einer Art Strand stehen. Er besteht nur aus Abfällen: gammeligen Reifen, Müll, Holzresten, Glasscherben, verdrecktem Papier und alten Plastiktüten, die sich in den East River vorschieben. Drew steht auf diesem Müll und schaut hinaus, und du wartest einen halben Meter hinter ihm. Dann fängt er an, sich auszuziehen. Du glaubst es zuerst nicht: runter mit seiner Jacke, seinem Pullover, seinen beiden T-Shirts und dem Unterhemd. Und dann siehst du Drews bloßen Oberkörper, stark und muskulös, wie du ihn dir vorgestellt hast, wenn auch dünner, die dunklen Haare pikförmig auf seiner
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