Der Große Basar: Roman
kommt, verehrte Mütter, da drüben in meinem Pavillon findet ihr Obst von viel besserer Qualität!«, rief Amit. »Wollt ihr lieber bei einem seelenlosen khaffit kaufen oder bei einem Krieger, der nächtens todesmutig gegen Dämonenhorden gekämpft hat?«
Nur wenige konnten seine Aufforderung ausschlagen, wenn er sie so formulierte. Die Frauen wandten sich von Abbans Karren ab und steuerten auf Amits Pavillon zu. Amit grinste Abban höhnisch an. Es war nicht das erste Mal, dass er Abban auf diese schäbige Weise ein Geschäft verdorben hatte, und es würde vermutlich auch nicht das letzte Mal sein.
Ein Zischen überlagerte den allgemeinen Radau auf dem Markt, und beide Männer blickten hoch. Mit diesem Laut warnten die Händler sich gegenseitig, wenn dama im Anmarsch waren. Überall versteckten die Verkäufer Artikel, deren Besitz das Evejanische Gesetz verbot, zum Beispiel Spirituosen oder Musikinstrumente. Selbst Amit schaute schnell an sich hinab, um sich zu vergewissern, dass er keine geächteten Waren bei sich trug.
Wenige Minuten später war der Grund für die Warnung in Sichtweite. Angeführt von einem jungen Geistlichen
in vollständigem weißem Habit sammelte eine Gruppe von nie’dama , Novizen in weißen Lendentüchern, von denen ein Ende über der Schulter getragen wurde, Brot, Früchte und Fleisch vom Markt ein. Für das, was sie mitnahmen, boten sie keine Bezahlung an, und kein Verkäufer hätte es gewagt, etwas zu fordern. Die dama grasten alles ab wie gefräßige Ziegen, und ein Händler, dem sein Leben lieb war, ließ sie widerspruchslos gewähren.
Abban, der aus der Lektion, die man seinem Vater erteilt hatte, seine Lehren gezogen hatte, verbeugte sich beim Erscheinen des dama so tief, dass er befürchtete, er könnte vornüberkippen. Amit bemerkte dies, schlug mit dem Schaft seines Speers gegen Abbans Krücke und wieherte vor Lachen, als Abban in den Dreck stürzte. Bei dem Geräusch drehte sich der dama zu ihnen um, und Abban, der spürte, wie dessen Blick auf ihm lastete, drückte die Stirn in den Staub und duckte sich wie ein geprügelter Hund. Amit hingegen nickte dem dama lediglich respektvoll zu, und der Geistliche erwiderte die Geste.
Nach einer Weile setzte der dama seinen Weg fort, doch Abban fing den Blick eines der nie’dama auf, eines mageren Jungen von höchstens zwölf Jahren. Der Junge sah Amit an, dann bedachte er den am Boden knienden Abban mit einem hämischen Lächeln, doch ehe er zu seinen Brüdern aufschloss, zwinkerte er Abban verschwörerisch zu.
Und um alles noch schlimmer zu machen, traf ausgerechnet in diesem Moment der Par’chin ein.
Wenn man dabei überrascht wurde, wie man am Boden herumkroch, war das ein denkbar schlechter Auftakt für Verhandlungen.
Traurig betrachtete Arlen den am Boden knienden Händler. Er wusste, dass der Gesichtsverlust seinen Freund schmerzhafter treffen würde als jeder Peitschenhieb eines dama . Das krasianische Volk besaß viele Eigenschaften, die Arlen bewunderte, doch wie man in dieser Gesellschaft Frauen und khaffit behandelte, fand er verabscheuungswürdig. Kein Mensch verdiente es, so gedemütigt zu werden.
Deshalb sah er absichtlich weg, als Abban sich mit Hilfe seiner Krücke wieder hochrappelte, und starrte wie fasziniert auf einen Karren voller Plunder, mit dem er gar nichts anfangen konnte. Erst nachdem Abban wieder auf den Beinen stand und sich den Staub aus der Kleidung geschüttelt hatte, führte Arlen Morgenröte zu ihm hin und tat so, als sei er gerade erst angekommen.
»Par’chin!«, rief Abban, den Überraschten mimend. »Ich freue mich, dich zu sehen, Sohn des Jeph! Wenn ich mir dein schwer bepacktes Pferd ansehe, scheint deine Reise ja ein Erfolg gewesen zu sein.«
Arlen kramte eine Dravazi-Vase hervor und reichte sie Abban zur Begutachtung. Wie immer setzte Abban eine angewiderte Miene auf, noch ehe er sich das Stück richtig angesehen hatte. Dabei erinnerte er Arlen immer
an den alten Vielfraß, den Besitzer des Gemischtwarenladens in Tibbets Bach, wo er aufgewachsen war. Er ließ niemals durchblicken, ob er sich für ein Teil interessierte, solange noch gefeilscht wurde.
»Schade, ich hatte mir mehr versprochen«, meinte Abban, obwohl die Vase schöner war als jeder andere Artikel, den Arlen in seinem Pavillon je gesehen hatte. »Ich glaube nicht, dass du viel dafür kriegen wirst.«
»Erspar mir die Dämonenscheiße«, fauchte Arlen. »Wegen dieser Sachen bin ich um ein Haar von Horclingen getötet
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