Der Große Basar: Roman
vulgär ist, diese primitiven Grunzlaute von sich zu geben!«, schnauzte er. »Entschuldige dich bei dem Par’chin !«
Arlen verlor die Geduld. Er stampfte mit seinem Speer auf den Boden und fuhr wütend zu dem Händler herum. »Du verlangst von einem Mann, dass er sich entschuldigt, weil er sich mit mir in meiner eigenen Sprache unterhalten hat?«, schrie er und verpasste Amit einen so heftigen Stoß, dass er zu Boden ging. Einen Moment lang flackerte eine unbändige Wut in Amits Augen auf, und er hielt seinen Speer, als wollte er Arlen damit angreifen, doch dann wanderte sein Blick zu Arlens kräftigen Beinen und gleich darauf zu seinem eigenen Stumpf, und er besann sich eines Besseren. Anstatt aufzubrausen, neigte er leicht den Kopf.
»Verzeih mir, Par’chin «, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als hätten die Worte
einen faulen Geschmack, »ich wollte dich nicht beleidigen.«
Das Kastensystem schrieb ihm genau vor, wie er sich zu verhalten hatte. Amit hatte Arlen als einen Kriegerkameraden begrüßt, und unter den Kriegern herrschte eine ganz bestimmte Hackordnung. Der Schwache unterwarf sich dem Starken. Wegen seines Holzbeins stand Amit auf der untersten Stufe dieser Rangfolge. In den Augen eines starken Kriegers galt er auch nicht viel mehr als ein khaffit . Kein Wunder, dass Amit sich entschieden hatte, den Basar zu seiner neuen Heimstatt zu machen.
Arlen zielte mit seinem Speer auf Amit. »Wage es nicht noch einmal, so über meine Heimat zu sprechen«, knurrte er drohend. »Denn dann wird dein Blut den Staub der Straße tränken!«
Natürlich meinte er es nicht ernst, aber das brauchte Amit nicht zu wissen. Wer von den dal’Sharum respektiert werden wollte, musste Härte demonstrieren.
Abban umklammerte Arlens Arm und bugsierte ihn hastig in seinen Pavillon hinein, bevor dieser Zwischenfall noch weiter eskalieren konnte.
»Hah!«, triumphierte er, als sie drinnen standen und die schwere Zeltklappe sich hinter ihnen schloss. »Dafür, dass ich das mitangesehen habe, wird Amit mich einen ganzen Monat lang schikanieren, aber auf diese Szene hätte ich um keinen Preis der Welt verzichten wollen, sie ist mir jede Beleidigung und jeden Hieb wert!«
»Es ist nicht richtig, dass du dir eine solche Behandlung gefallen lassen musst«, protestierte Arlen zum vielleicht tausendsten Mal.
Doch Abban winkte nur ab. »Ob falsch oder richtig, so läuft das hier nun mal, Par’chin «, erwiderte er. »Es mag ja sein, dass man in deiner Heimat mit Leuten wie mir anders umgeht, aber hier im Wüstenspeer kann man solche Forderungen nicht stellen. Genauso gut könnte man von der Sonne verlangen, nicht so heiß zu brennen.«
In Abbans Zelt herrschte eine angenehme Kühle. Sofort eilten seine Frauen herbei, um Arlen das staubige Übergewand und die Stiefel auszuziehen und ihm ein sauberes Kleidungsstück zu reichen, damit er es sich gemütlich machen konnte. Sie stapelten Kissen für die Männer auf, brachten Krüge mit Wasser und Schalen voller Obst oder Fleisch und servierten Tassen mit dampfendem Tee. Nachdem die Männer die Erfrischungen zu sich genommen hatten, holte Abban eine kleine Flasche und zwei winzige Tonbecher.
»Komm, Par’chin , trink mit mir«, schlug er vor. »Wir wollen unsere Nerven beruhigen und unserem Wiedersehen einen neuen Anfang geben.« Zweifelnd blickte Arlen auf seinen winzigen Becher, dann zuckte er mit den Schultern und nippte daran.
Im nächsten Moment spuckte er den Schluck wieder aus und griff hektisch nach dem Wasserkrug. Abban lachte und strampelte vor Vergnügen mit den Beinen.
»Hast du vor, mich zu vergiften?«, krächzte Arlen, aber sein Groll verflog, als Abban seinen eigenen Becher an den Mund führte und ihn in einem Zug leertrank.
»Was zum Horc ist dieses fürchterliche Gesöff?«, fragte er.
»Couzi«, erklärte Abban. »Er wird aus destilliertem, gegorenem Getreide und Zimt hergestellt. Bei Everam, Par’chin , wie viele Fässchen Couzi hast du schon durch die Wüste transportiert, ohne je davon gekostet zu haben?«
»Meine Waren rühre ich nicht an«, entgegnete Arlen. »Und ich finde, das Zeug schmeckt eher wie die Spucke eines Flammendämons, nicht nach Zimt.«
»Couzi kann man auch als Ersatz für Lampenöl benutzen«, pflichtete Abban ihm lächelnd bei. Er füllte Arlens Becher nach und reichte ihn an ihn weiter. »Den ersten kippt man am besten schnell runter«, riet er und füllte seinen eigenen Becher auf. »Und wenn du beim dritten
Weitere Kostenlose Bücher