Der Große Basar: Roman
rausholen kannst?«
»Klingt plausibel«, räumte Arlen ein. »Trotzdem wundere ich mich, wieso du mir solch ein Geschenk anbieten kannst. Ist es dir nicht verboten, Bücher mit Abbildungen von Siegeln auch nur anzurühren?«
Abban gluckste vergnügt in sich hinein. »Für einen khaffit ist fast alles tabu, Par’chin . Aber du hast Recht, die dama betrachten die Kunst des Bannzeichnens als etwas Heiliges und sind die Hüter der Bücher, in denen die Siegel aufgeführt sind.«
»Und dennoch kannst du mir ein Grimoire mit Siegeln gegen Lehmdämonen besorgen«, sinnierte Arlen.
»Und zwar direkt unter den Augen der dama !« Abban lachte und schnippte vor Arlens Nase mit den Fingern. Arlen torkelte betrunken zurück, fiel auf die aufgetürmten Kissen, und beide Männer schüttelten sich wieder vor Lachen.
»Und wie willst du das bewerkstelligen?«, hakte Arlen nach.
»Ach, mein Freund«, seufzte Abban und drohte Arlen mit dem Finger, »du kannst nicht von mir verlangen, dass ich dir meine Geschäftsgeheimnisse verrate.«
»Dämonenscheiße!«, schimpfte Arlen. »Deine Karte von Baha wich um einen Tagesritt von der Realität ab. Wenn mein Leben von diesen Karten und Siegeln abhängt, die du mir verschaffen willst, dann muss ich wissen, ob ich mich auf die Angaben auch wirklich verlassen kann.«
Abban sah ihn eine geraume Zeit an, zuckte schließlich mit den Schultern und setzte sich wieder neben Arlen. Dann schnippte er mit den Fingern, und eine seiner schwarz gekleideten Frauen brachte noch eine Flasche Couzi. Sie kniete nieder, um die Becher zu füllen, ehe sie sich nach einer tiefen Verbeugung entfernte. Die Männer stießen mit den Bechern an und tranken.
Abban beugte sich dicht an Arlen heran. »Nun gut, ich werde es dir erzählen, Par’chin «, wisperte er. »Aber nicht, weil du ein gerngesehener Kunde bist, sondern weil ich dich als meinen aufrichtigen Freund betrachte. Der Par’chin hat mich ehrlosen khaffit immer behandelt wie einen vollwertigen Mann.«
Arlen schniefte spöttisch und füllte ihre Becher auf. »Du bist ein vollwertiger Mann«, betonte er mit Nachdruck.
Dankbar neigte Abban sein Haupt und lehnt sich wieder nach vorn. »Ich lasse mir von Jamere helfen, meinem Neffen«, vertraute er Arlen an. »Sein Vater war ein dal’Sharum , aber er starb, als der Junge noch in den Windeln lag. Die Familie des Vaters war nicht vermögend, deshalb kehrte meine Schwester in meinen Pavillon zurück und zog den Jungen hier im Basar groß. Vor kurzem erreichte er die Volljährigkeit und wurde mitgenommen, um seinen Lebensweg zu finden, aber er ist dünn und schmächtig, und die Exerziermeister der dal’Sharum konnten nichts mit ihm anfangen. Dafür waren die dama von seinem Verstand beeindruckt, und sie nahmen ihn als Schüler auf.«
»War er einer der nie’dama , die heute über den Markt gingen?«, fragte Arlen, und Abban nickte.
»Jamere mag zwar ein angehender Geistlicher sein«, erklärte Abban, »aber der Junge ist durch und durch verdorben und hat noch weniger Glauben als ich. Er wird ohne eine Spur von Bedenken jede beliebige Schriftrolle, die sich im Tempel befindet, kopieren oder auch stehlen, wenn ich ihm sage, ich hätte einen Käufer dafür und würde den Profit mit ihm teilen.«
»Ganz gleich, um welche Schriftrolle es sich handelt?«, vergewisserte sich Arlen.
»Es wäre ihm völlig egal!«, bekräftigte Abban und schnippte erneut mit den Fingern. »Er würde sogar die Karten stehlen, auf denen der Weg zu der verlorenen Stadt Anochs Sonne eingezeichnet ist!«
Arlen glaubte, ihm bliebe das Herz stehen. Anochs Sonne war das uralte Machtzentrum von Kaji, dem Mann, den die Krasianer als ihren ersten Erlöser verehrten. Vor ungefähr dreitausend Jahren hatte Kaji die damals bekannte Welt erobert; die Wüste und die dahinter liegenden Grünen Länder, und die gesamte Menschheit in einem Krieg gegen die Horclinge geeint. Mit Hilfe von Waffen, die mit magischen Schutzzeichen versehen waren, schlachteten sie so viele Dämonen ab, dass man Jahrhunderte lang annahm, die Menschen hätten gesiegt, die Horclinge seien ausgerottet und die Gefahren der Nacht gebannt.
Doch wie man mittlerweile wusste, war dieser Sieg nicht von langer Dauer gewesen. Die Dämonen hatten sich in den Horc zurückgezogen, wohin ihnen niemand folgen konnte, und dort abgewartet. Sie hatten darauf gelauert, dass ihre Feinde alt wurden und starben. Und dass deren Kinder und Kindeskinder verschieden. Selbst unsterblich,
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