Der Große Basar: Roman
Derek wüsste, dass ich komme und eine Ausrüstung mitsamt Verpflegung verstecken würde, könnte er, anstatt den Berg hochzumarschieren, heimlich bergab laufen. Selbst wenn mein Vater uns im selben Moment, in dem Derek vermisst würde, Leute hinterherschickte, hätten wir einen Vorsprung von einer Woche. Wir hätten reichlich Zeit, uns zu finden, meinen Schmuck zu versilbern und in der Stadt unterzutauchen. Wir könnten heiraten, ungeachtet seiner Herkunft, und unser Kind gemeinsam großziehen.«
Mit glänzenden Augen blickte Stasy ihn an. »Wenn du ihm das ausrichtest, Kurier, ohne jemand anderem etwas zu verraten oder einen Eintrag in dein Journal zu machen, dann zahle ich dir dafür jeden Preis, den du verlangst.«
Arlen sah sie an, und in diesem Moment kam er sich vor wie ein älterer Bruder, der seine Schwester beschützen
muss. Er würde ihre Nachricht kostenlos weiterleiten, aber er konnte nicht leugnen, dass es etwas gab, das er gern haben wollte. Und die Tochter des Barons konnte ihm diesen Wunsch vielleicht erfüllen.
»Ich brauche einen Donnerstock«, gab er mit leiser Stimme zurück.
Stasy schnaubte unfein durch die Nase. »Ist das alles? Ich lasse dir ein halbes Dutzend davon zusammen mit deinem Proviant einpacken.«
Arlen stutzte, verblüfft, wie einfach alles gegangen war, und dann strahlte er über das ganze Gesicht.
»Wozu brauchst du diesen Donnerstock?«, wollte Stasy wissen.
»Ich will einen Felsendämon töten, der mich seit langem verfolgt«, antwortete Arlen.
Stasy legte den Kopf schräg und musterte ihn in derselben Weise wie es schon andere Leute vor ihr getan hatten, wenn sie sich nicht sicher waren, ob er sich einen Scherz erlaubte oder ganz einfach verrückt war. Zum Schluss zuckte sie leicht mit den Achseln und begegnete seinem Blick. »Versprich mir nur, dass du vorher meine Nachricht überbringst.«
Arlen nahm sich ein paar Tage Zeit, um sich auszuruhen, während die Goldmänner ihre Botschaften fertigstellten, die er auf dem Rückweg mitnehmen sollte. Er ermüdete immer noch rasch in der dünnen Gebirgsluft,
doch mit jedem Tag, der verging, spürte er die unangenehmen Auswirkungen etwas weniger. Seine Mußestunden nutzte er klug, indem er zusah, wie die Minenarbeiter mit den neuen Donnerstöcken umgingen. Jeder wollte sich bei dem neuen Kurier beliebt machen, und deshalb beantwortete man ihm bereitwillig alle seine Fragen.
Nachdem er beobachtet hatte, wie die Donnerstöcke in einer gewaltigen, ohrenbetäubenden Explosion eine massive Felswand binnen Sekunden in Tonnen von Gesteinsschutt verwandelten, wusste er, dass die Zerstörungskraft dieser Dinger nicht übertrieben war. Wenn es etwas auf der Welt gab, das Einarms dicken Panzer durchdringen konnte, dann waren es diese Donnerstöcke.
Schließlich waren sämtliche Vorbereitungen für die Rückreise beendet, und am dritten Tag legte er wieder seinen schweren Harnisch an und machte sich auf den Weg zu den Ställen. Sein Proviant steckte bereits in den Satteltaschen, und in ihnen fand Arlen auch eine kleine Kiste mit in Stroh eingepackten Donnerstöcken, nebst einem versiegelten Umschlag, der an Derek adressiert war.
Wie der Baron bereits angekündigt hatte, gestaltete sich der Abstieg wesentlich unproblematischer als der kräftezehrende Aufstieg. Früh am Tag erreichte er den ersten Siegelpfosten, marschierte jedoch zügig weiter und traf lange vor der Abenddämmerung an der Wegstation ein. Derek kam heraus, um ihn in Empfang zu nehmen.
»Ich bringe dir einen ganz besonderen Brief mit«, erklärte Arlen und gab ihm den Umschlag. Als der Stationshüter
ihn sah, leuchteten seine Augen auf, und er reckte den ungeöffneten Umschlag der Sonne entgegen.
»Großer Schöpfer«, betete er, »bitte richte es ein, dass ihr Monatsfluss ausblieb!«
Nervös riss er den Brief auf, doch beim Lesen erlosch sein Lächeln, und langsam wich alle Farbe aus seinem Gesicht, bis es so weiß war wie der Schnee, in dem er stand. Entsetzt starrte er Arlen an.
»Bei der Nacht«, ächzte er. »Sie hat den Verstand verloren, verflucht nochmal! Glaubt sie im Ernst, ich würde mit ihr nach Miln durchbrennen?«
»Warum denn nicht?«, fragte Arlen. »Gerade hast du den Schöpfer doch genau darum gebeten.«
»Sicher, als ich dachte, ich würde dadurch der Schwiegersohn des Barons. Ich konnte ja nicht ahnen, dass sie von mir verlangt, mich über eine Woche lang allein mit den Horclingen herumzuschlagen.«
»Na und? Was ist schon dabei? Überall an
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