Der Große Basar: Roman
versiegeltes Rohr, in das sowohl Graf Brayans Siegel, Spitzhacke und Hammer,
als auch Curks und Arlens Zeichen eingestanzt waren.
»Ha!«, bellte der Baron, und seine jähe Anspannung löste sich. Wieder ließ er seine Hand auf Arlens Rücken klatschen. »Das klingt ganz nach einer Geschichte, die drinnen erzählt werden sollte, wo es warm ist!«
Schneyder hob eine Hand, und die beiden Wachmänner übernahmen den Karren. Arlen ging neben dem Baron her, der das Siegel auf dem Rohr zerbrach und das Ladungsverzeichnis herausnahm. Er überflog die Zeilen, in denen jedes einzelne Teil auf dem Karren aufgelistet war, bis hin zum letzten Brief und dem persönlichen Gepäck der Kuriere. Im Rohr befand sich auch ein privates Schreiben des Grafen, aber Arlen wusste nicht, was darin stand. Der Baron stopfte den ungeöffneten Umschlag in seine Jackentasche.
Sie erreichten den Stall, wo junge Burschen Morgenröte ausspannten. Arlen wollte ihnen dabei helfen, aber Schneyder packte ihn beim Arm und hielt ihn zurück.
»Du hast über eine Woche auf der Straße verbracht, Kurier. Jetzt sollen mal die Knechte den Buckel krumm machen.« Er reichte die Liste einem der Stallwächter und marschierte ins Haus.
Wie die Wegstation war auch das Innere des Gasthofs mit Hitzesiegeln versehen und sehr warm. Im vorderen Bereich gab es einen Gemischtwarenladen, der einzige
Ort in der Stadt, an dem man sich mit lebensnotwendigen Dingen für den täglichen Bedarf eindecken konnte. In Regalen hinter dem Verkaufstresen stapelten sich alle möglichen Werkzeuge und Geräte, und auf Schiefertafeln waren mit Kreide die Preise für Lebensmittel, Vieh und besondere Güter geschrieben.
In dem Raum drängten sich Frauen, viele mit Kindern, die sich an ihre Rockzipfel klammerten; sie riefen den hinter dem Tresen arbeitenden Frauen ihre Bestellungen zu und händigten ihnen Geld aus. Die Verkäuferinnen wiederum gaben lautstark anderen stämmigen Wachmännern des Barons Anweisungen, welche Waren sie von den Regalen holen und zu verpacken hatten.
Nach der Stille der Straße kam Arlen der Lärm überwältigend vor, aber der Baron lotste ihn schnell durch das Chaos hindurch in den hinter dem Laden liegenden Schankraum, wo in einer ruhigen Nische ein reich gedeckter Tisch für sie bereitstand. Beflissen eilte der Wirt herbei und servierte ihnen Kaffee.
Arlen blies den Atem über seine dampfende Tasse und nippte an dem Getränk; sofort spürte er, wie die Wärme allmählich in seine Knochen zurückkehrte. Der Baron ließ ihm Zeit, sich zu erholen, bis sich zwei Frauen dem Tisch näherten, eine junge und eine wesentlich ältere. Ihre Kleider waren schlichter als die Roben, die die adligen Damen in Fort Miln bevorzugten, aber durch den exzellenten Zuschnitt und die gute Qualität des Stoffs fielen sie trotzdem auf.
Arlen erhob sich höflich von seinem Platz, während der Baron die Frauen zur Begrüßung küsste und sich
dann umdrehte, um die Vorstellung zu übernehmen. »Kurier Arlen Strohballen, ich möchte dich mit meiner Ehegemahlin, Lady Delia Schneyder, und meiner Tochter Stasy bekanntmachen.«
Arlen bemerkte, dass der Titel »Mutter« vor dem Namen der Baronin fehlte, aber kommentarlos verbeugte er sich und küsste die Hände der Damen, so wie Cob es ihm beigebracht hatte.
Die Baronin mochte Ende fünfzig sein und war ziemlich unansehnlich; mit ihrem schmalen, abgehärmten Gesicht und dem langen Hals glich sie einem Kranich. Stasy Schneyder hingegen entsprach voll und ganz Dereks Beschreibung.
Sie war ungefähr in Arlens Alter, mit schwarzen Haaren und blauen Augen, dazu groß und geschmeidig wie eine typische Milneserin. Sie hatte ein hübsches Gesicht, aber Arlen fand, dass der melancholische Ausdruck in ihren Augen sie erst zu einer richtigen Schönheit machte. Ihr Mieder war nicht geschnürt, als ob ihr das Kleid zu eng wäre.
Ich schätze, das Mädchen hatte mittlerweile ihren Monatsfluss, hatte Derek ihm anvertraut, aber Arlen war sich da nicht so sicher. Er zwang sich dazu, den Blick zu heben und ihr in die Augen zu schauen, ehe er dabei ertappt wurde, wie er auf ihren prallen Busen starrte.
Alle setzten sich hin, und der Baron und die Baronin hockten dicht zusammen, als sie das Siegel zerbrachen und Graf Brayans privaten Brief lasen. Sie begannen heftig miteinander zu tuscheln, und ihre Blicke huschten
immer wieder zu Stasy hin, doch Arlen gab vor, nichts zu merken. Er wandte sich an das Mädchen und versuchte, sie in ein Gespräch zu
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