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Der Große Basar: Roman

Titel: Der Große Basar: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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der Straße findest du Lagerplätze, und du bist ein geschickter Bannzeichner.«
    »Weißt du, was für einen Stationshüter das Schlimmste ist, Kurier?«, fragte Derek.
    »Die Einsamkeit?«
    Derek schüttelte den Kopf. »Nein, es ist diese eine Nacht, die man im Freien zubringen muss, wenn man sich wieder auf den Heimweg nach Brayans Gold begibt. Bergab kann man die Station in einem Tag erreichen, aber wenn es zurück nach Hause geht, muss man notgedrungen an diesem verdammten Siegelpfosten anhalten.« Er schüttelte sich. »Dann sieht man, wie die
Horclinge um einen herumschleichen, und ist nur geschützt durch einen unsichtbaren Wall aus Magie. Ich weiß nicht, wie ihr Kuriere das aushaltet. Jedes Mal, wenn ich nach Hause komme, ist meine Hose voll mit gefrorener Pisse. Und dabei bin ich den Weg noch kein einziges Mal allein gegangen. Jedes Mal, wenn ich abgelöst wurde, haben mein Dad und meine Brüder mich begleitet, damit wir vier abwechselnd Wache halten konnten.«
    »Viele Leute unternehmen ständig diese Tour«, wandte Arlen ein.
    »Und jedes Jahr werden mindestens ein halbes Dutzend unterwegs von Horclingen getötet«, erwiderte Derek. »Manchmal sogar noch mehr.«
    »Vielleicht waren sie zu sorglos«, mutmaßte Arlen.
    »Oder sie hatten ganz einfach nur Pech«, entgegnete Derek. »Kein Mädchen ist dieses Risiko wert. Ich mag Stasy sehr gern, und wenn man sie allein erwischt, entwickelt sie richtig Temperament, aber sie ist nicht das einzige Mädchen in Brayans Gold.«
    Arlen runzelte die Stirn. Dereks phlegmatische Sturheit, die Art, wie er eine Entschuldigung nach der anderen für seine Feigheit vorbrachte, erinnerte ihn an seinen Vater. Jeph Strohballen hatte weder auf seine Frau noch auf sein Kind Rücksicht genommen, als die schiere Not es geboten hätte, eine Nacht lang auf die schützenden vier Wände zu verzichten, und dieser Kleinmut hatte Arlens Mutter das Leben gekostet.
    »Wenn du ohne Stasy und dein Kind nach Brayans Gold zurückgehst, bist du kein Mann, sondern ein
Schlappschwanz«, erwiderte er verächtlich und spuckte aus.
    Derek knurrte und ballte eine Faust. »Was geht dich das überhaupt an, Kurier? Wieso kümmert es dich, ob ich mit der Tochter des Barons durchbrenne oder nicht?«
    »Du widerst mich an, und ich finde, dass das Mädchen und das ungeborene Kind, das sie in ihrem Schoß trägt, etwas Besseres verdient haben als einen verdammten Feigling«, zischte Arlen, und dann spürte er einen Blitz hinter den Augen, weil Derek ihm einen Boxhieb verpasst hatte. Der Schlag warf ihn herum, doch er nutzte den Schwung aus, machte eine volle Drehung und rammte dem Stationshüter seinen mit Stahlplatten gepanzerten Ellenbogen mit voller Wucht in die Nieren. Derek heulte auf und krümmte sich, doch Arlens nächster Schwinger landete mitten in seinem Gesicht; er fiel der Länge nach in den Schnee und streckte alle viere von sich. Alte, böse Erinnerungen brodelten wieder an die Oberfläche, und Arlen musste sich beherrschen, um nicht noch weiter auf Derek einzuprügeln.
    Er ging zu seinem Pferd zurück. »Ich bleibe nicht hier«, verkündete er, als Derek sich mühsam auf einen Ellenbogen hochstemmte und den Kopf schüttelte, um ihn zu klären. »Lieber verbringe ich eine Nacht allein mit den Horclingen, als hinter einer geschützten Mauer in Gesellschaft eines Mannes, der sein eigenes Kind im Stich lässt.«

    Der Pfad zog sich über einen Höhenrücken und fiel dann steil ab, so dass Brayans Gold und die Wegstation auf der anderen Seite des Berges zurückblieben. In der Kälte pochte die Prellung in Arlens Wange, ein dumpfer Schmerz machte ihm schwer zu schaffen, und je länger er marschierte, umso finsterer wurde seine Stimmung. Es passierte ihm nicht zum ersten Mal, dass er den Charakter eines Mannes falsch eingeschätzt hatte und sich verraten fühlte, und sicher würde es auch nicht das letzte Mal sein, doch der Grund für die Schwäche dieser Leute war immer derselbe. Angst. Angst vor den Horclingen. Angst vor der Nacht. Angst vor dem Tod.
    Angst ist etwas Gutes, pflegte sein Vater zu sagen. Sie hilft uns, zu überleben.
    Aber sein Vater hatte sich geirrt, wie so oft. Jeph Strohballen hatte sich so mit seiner Angst abgefunden, sie dermaßen verinnerlicht, dass er sie mit Weisheit verwechselte. Indem er sich von seiner Angst beherrschen ließ, verlängerte er vielleicht seine Lebensspanne, aber Arlen bezweifelte, dass sein Vater unter dem erdrückenden Joch der Furcht jemals wirklich

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