Der große Bio-Schmaeh
Industrienationen darüber liegen. In Europa beanspruchen wir immerhin fast dreimal so viel, als wir rechnerisch dürften, in den USA mehr als fünfeinhalbmal so viel und in Australien das Vierfache. Aufgrund der Ungleichverteilung ergibt sich im weltweiten Durchschnitt ein ökologischer Fußabdruck von 2,2 globalen Hektar pro Mensch.
Internationale Beispiele für ökologische Fußabdrücke
Angaben in globalen Hektar pro Kopf (Stand 2011)
verfügbar
1,8
Durchschnitt weltweit
2,2
Industrienationen:
Europa
4,7
Australien
7,1
USA
9,57
Länder des »Südens«
Bangladesch
0,5
Mosambik
0,6
Nepal
0,6
Kongo
0,6
Äthiopien
0,7
Indien
0,8
Der ökologische Fußabdruck ist ein komplexes Modell von politischer und sozialer Tragweite, das uns zur kritischen ökologischen Selbsteinschätzung dient. Als Werbeinstrument ist er völlig ungeeignet.
Der Regionalitätsschmäh
Waldviertler Kartoffeln, steirische Äpfel, Murauer Milch, Karotten aus dem Marchfeld, Steirerhuhn und Kärntner Geflügel – Regionen sind in allen Supermärkten zu Marketingschlagworten geworden. In Wirklichkeit ist die Region in vielen Fällen nur ein untergeordnetes Kriterium für Qualität. Viel wichtiger sind Sortenwahl, Anbaumethode sowie Wissen und Können der Bäuerinnen und Bauern. Auch für Hühner beispielsweise macht es in ihrer Erfahrungswelt keinen Unterschied, ob sie in Kärnten, Niederösterreich oder in der Steiermark in intensiver Haltung leben müssen. Die Idee der Regionalität hat vor allem ökologische Gründe: »Aus der Region in die Region.« Lebensmittel, die vom Produktionsort zum Vermarktungsort nicht weit reisen müssen, gelten als nachhaltiger, weil sie deutlich kürzere Transportwege hinter sich haben. Ein Ladenbesitzer an der tschechischen Grenze handelt vermutlich ökologischer, wenn er Tomaten aus Tschechien bezieht, als würde er gleichwertige Ware im Südburgenland einkaufen.
Aufgrund seiner ökologischen Bedeutung hatte sich der Regionalitätsbegriff bereits unter den ursprünglichen Vertreterinnen und Vertretern des Ökolandbaus einen guten Namen gemacht. Noch heute existieren im ganzen Land einzelne Bio- und Bauernläden, die zum größten Teil regionale Ware aus umliegender Produktion anbieten. Die Art und Weise, wie Regionalität hingegen im konventionellen Lebensmittelhandel verstanden wird, stellt eine Verkürzung des Begriffes dar. Wenn Sie etwa in den Supermärkten Kärntens oder in Graz »Waldviertler Kartoffeln« kaufen, dann kaufen Sie Ware aus einer bestimmten Region, aber keine regionale Ware. Der Leitsatz »Aus der Region in die Region« ist dann reduziert auf »Aus einer Region«. Supermarktkonzerne, deren Warenumschlagpunkte zentralisiert sind, sind genetisch nicht in der Lage, einem ernst genommenen Regionalitätsbegriff gerecht zu werden. Hinzu kommt, dass Verarbeitung und Verpackung der »Regionsprodukte« oft wiederum in gänzlich anderen Regionen stattfinden und dazwischen mehrfache Transportwege anfallen. Auch die »Waldviertler Kartoffeln« aller Bio TM -Marken werden zunächst von einem Großhändler zwischengelagert und dann in den meisten Fällen an eine Fabrik im Marchfeld geliefert, manchmal auch nach Stockerau, wo die Knollen sortiert, gewaschen und verpackt werden. Von dort werden sie an die Zentrallager der Supermarktketten und später dann an die Filialen ausgeliefert. Offenbar ist der Regionalitätsbegriff für manche Bio-Handelsmarken nichts anderes als ein besser klingendes Synonym für »Herkunft aus Österreich«.
Auf der Homepage von Merkur (Rewe) steht zu lesen,
Ja!Natürlich
stünde für Regionalität 22 . In einem Interview mit der Umweltschutzorganisation Global 2000 sagte die Geschäftsführerin der Bio-Marke, dass dem Konzern Regionalität ein besonderes Anliegen sei 23 . Dennoch hat das Unternehmen kein Problem damit, Waren in großen Mengen aus Südeuropa zu beziehen. In den Regalen von
Ja!Natürlich
fand ich außerdem und beispielsweise Zitronen, die in Südafrika produziert und in den Niederlanden verpackt worden waren. Ich stieß auf Knoblauch: in Spanien angebaut, in Italien abgepackt.
Ja!Natürlich
rühmt sich auf der unternehmenseigenen Homepage für die »regionale Produktion« von Brot und Gebäck 24 . Doch das Brot wird in Backfabriken verschiedener Bundesländer produziert, in einem riesigen Wiener Tiefkühllager zwischengelagert und später wieder hinaus in die Bundesländer transportiert, wo die Rohlinge in den Filialen nur mehr aufgebacken werden.
Die PR-Leiterin
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