Der große Blowjob (German Edition)
ihre Brüste denken. Es macht mich wahnsinnig, ich kann nichts dagegen tun, außer vielleicht zum zweiten Mal heute in den Papierkorb zu wichsen, bloß kommt das momentan eher nicht in Frage, da ich schließlich nicht allein bin.
Als sie endlich Leine gezogen hat (war das ein wütender, eifersüchtiger Blick, den sie mir vor dem Hinausgehen noch über die Schulter zugeworfen hat? Ja), prüfe ich am PC kurz meine Aktien, um ein paar Minuten verstreichen zu lassen, und mache mich dann auf den Weg in den achten Stock.
1.7
Im achten Stock befinden sich unsere Produktioner. Hier im New Yorker Büro von Tate Global (der größten von insgesamt sechsundfünfzig Niederlassungen rund um die Welt) werden laufend Werbespots für unsere diversen Kunden produziert, jeweils acht bis zehn zur gleichen Zeit. Werbung funktioniert im Grunde ganz einfach, wir berechnen großen Unternehmen wie Procter & Gamble, Merck Pharmaceuticals und Bank of America jährlich viele Millionen Dollar dafür, uns die zündenden Ideen einfallen zu lassen, die ihnen dazu verhelfen, ihren Umsatz zu steigern, eine Nische in ihrem Markt zu besetzen und ihr Erweiterungspotenzial voll auszuschöpfen. Wir liefern Ideen, die ihnen eine Basis für ihren öffentlichen Auftritt verschaffen, eine Mission, der sie sich verschreiben, eine Flagge, die sie schwenken können. Werbeagenturen leisten im Grunde genommen ähnliche Dienste wie Söldner. Ein Ölkonzern etwa kann ja nicht einfach so den populären Anführer einer linken Oppositionsbewegung in irgendeiner Demokratie in Mittelamerika umpusten oder sonst wie aus dem Weg räumen. Das ist kein Job, den sie mal eben auf ihrer LinkedIn-Seite ausschreiben könnten. Der Konzern beauftragt also einen sogenannten Berater, der beauftragt eine Firma für globales Risikomanagement, die wiederum eine Söldnereinheit beauftragt, die eine Kriminellenbande vor Ort beauftragt, die den Job letzten Endes erledigt. Wir erfüllen ungefähr dieselbe Funktion. Merck möchte gern selbst an die Fiktion glauben, dass sie mit ihren Produkten einen Beitrag dazu leisten, die Welt ein Stück besser zu machen – und nicht etwa aus Profitgier Menschen überteuerte Arzneimittel andrehen, die diese gar nicht benötigen (und deren Wirksamkeit sich im direkten Vergleich mit Placebos nicht einmal konkret nachweisen lässt). Sie delegieren das Lügen an uns. Wir machen ihnen dann vor, dass wir ihnen dabei helfen, die Welt ein Stück besser zu machen. Wir bestärken sie im Grunde lediglich in ihrem geschönten Selbstbild, indem wir sie an die Hand nehmen und Schritt für Schritt bei dem schwierigen, mitunter jahrelangen Prozess begleiten, welcher der Einführung eines neuen Präparats am Markt vorausgeht. Dabei müssen wir glaubhaft den Eindruck vermitteln, alle möglichen kreativen Ideen für sie zu entwickeln, obwohl wir eigentlich nur die Ideen verwerten, die sie uns in ihren PowerPoint-Dokumenten schon aufgelistet haben, nur eben so verpackt und präsentiert, als wären sie originär auf unserem Mist gewachsen und daher die zig Millionen Dollar wert, die sie uns dafür bezahlen. Völlig sinnentleert im Grunde das Ganze, aber das trifft ja ohnehin auf die meisten menschlichen Bestrebungen zu. Wir halten eine Besprechung nach der anderen ab, schreiben einen Entwurf nach dem anderen für einen einzigen Werbespot von fünfzehn Sekunden Länge, legen diese Treatments anschließend normalen Leuten vor, um ihre Resonanz darauf zu prüfen. Ein Vorgang, der als
qualitative
Werbewertanalyse bezeichnet wird, um dann in der nächsten Phase, der
quantitativen
Werbewertanalyse, den CPI , den Consumer Persuasion Index, der Treatments zu ermitteln. Das ist ein aufwendiges Verfahren, bei dem für jeden Spot ein numerischer Wert errechnet wird, der angeblich seine konkret messbare Wirksamkeit anzeigt. Tatsächlich geht es letzten Endes darum, festzustellen, wodurch Menschen sich effektiver zum Kauf eines Präparats bewegen lassen: indem man ihnen subtil Angst macht und suggeriert, dass sie bei Nichtkauf das Leben ihrer Kinder aufs Spiel setzen, oder indem man ihnen subtil Angst macht und suggeriert, dass sie bei Nichtkauf in ihrem sozialen Umfeld als Rabeneltern geächtet werden, wenn sie ihren Kindern das beworbene Präparat vorenthalten. Sobald echte Mütter & Väter sich mehrheitlich für ein Treatment entschieden haben, reichen wir diese sogenannten Ideen an einen Regisseur und eine Produktionsfirma weiter, verbunden mit dem Auftrag «filmischer
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