Der große Blowjob (German Edition)
damit alles erledigt. Doch sie steht noch nicht auf. Seufzt und wirft mir einen Blick zu. Soll dieser Blick heißen: «Eric, wie kannst du nur mit Neunzehnjährigen ins Bett zu gehen»? Oder doch eher: «Eric, warum verplemperst du deine Zeit mit neunzehnjährigen Küken, obwohl dir ausgewachsene Frauen zur Verfügung stehen, lebende, atmende
Frauen
, die direkt vor dir sitzen»? Oder: «Scheiße, Mann, du bist der Größte»? Ich weiß es nicht, und ich frage auch nicht nach. Sie macht mich jedenfalls extrem nervös, also tue ich so, als hätte ich eine neue E-Mail auf meinem Handy, und ignoriere sie erst mal.
«Die werden schon klarkommen», sagt sie schließlich und signalisiert damit einen Themenwechsel. «Nicht wahr?»
«Wer?»
«Dave und Bill?»
«Das will ich doch mal hoffen», sage ich mit Nachdruck, damit sie merkt, dass ich es ernst meine. «Sind prima Kerle, die beiden. Die kommen schon nicht unter die Räder.»
Sie wirft mir wieder einen dieser Blicke zu. «Manchmal kommen mir Zweifel.»
«Inwiefern? Zweifel daran, ob Dave und Bill prima Kerle sind? Die sind großartig!», sage ich. Ich weiß, dass sie das nicht gemeint hat, aber ich will mich jetzt von ihr nicht in moralisierendes Gelaber über Gewissensbisse oder Skrupel oder Bedenken oder so was verwickeln lassen.
«Nein, Zweifel an dem, was wir tun, meine ich. Weil wir, na ja, so viel Leid verursachen. Glauben Sie an Karma?»
Kaum hat sie das Wort ausgesprochen, sehe ich spontan vor meinem inneren Auge, wie sie in einem Yogakurs sitzt, ganz vorne, mit Namaste-mäßig zusammengelegten Händen, und die Aufmerksamkeit des Yogalehrers auf sich zu lenken versucht, der zehn Jahre jünger ist als sie und das lange Haar zu einem Knoten zusammengedreht hat. Typen mit so einem Haarknoten könnten ebenso gut ein Schild an der Stirn tragen mit der Botschaft: «Ich lecke dich ganz lange und hingebungsvoll, als wäre ich total selbstlos, aber in Wahrheit mache ich mir ein bisschen Sorgen, ob ich nicht vielleicht doch schwul bin.» Der Blick, den ich ihr zuwerfe, sagt ihr hoffentlich, dass ich verstehe, dass sie sehr sensibel ist, was ich auch gut finde, aber trotzdem.
«Wir stellen das Überleben der Agentur sicher», wiederhole ich geduldig die Standardrechtfertigung für unser Tun, die sie mir vor Monaten selbst vorgebetet hat, als wir mit dem ganzen Feuern anfingen. «Über vierhundert Leute sind hier beschäftigt, und wenn wir in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage nicht signifikant Stellen abbauen, landen am Ende alle auf der Straße, jeder von uns.»
Sie seufzt wieder und sieht mich an, halb stolz, halb beschämt. Stolz auf ihre wichtige Rolle in dieser Angelegenheit, stolz, weil man ihr eine so große Verantwortung übertragen hat, aber all das überschattet von der anderen Seite des Stolzes. So sind die Menschen nun mal. Ich empfand weder Stolz noch Scham über das, was wir taten. Es war einfach mein Job. Ich rettete die Agentur und führte gleichzeitig ein Gedankenexperiment durch, das auf die Unternehmenskultur als solche einen gewaltigen Effekt haben könnte. Ich hatte in mühevoller Kleinarbeit ein sehr spezifisches Milieu erschaffen, hatte eine Kultur der Angst und Paranoia herangezüchtet, und wir konnten nun mit ansehen, wie sie sich entfaltete und heranwuchs wie etwas in einer großen, übelriechenden Petrischale – in unserer eigenen Milgram-artigen Biosphäre des Verderbens. Auf eine solche Schöpfung könnte man wohl mit einigem Recht stolz sein, aber das wäre eine Schutzbehauptung, nicht anders als Scham. Ich habe mein Experiment aus viel umfassenderen Gründen durchgeführt, und ich schenkte es der Welt wie einen Impfstoff, der Millionen von Menschenleben rettet.
Sie sitzt noch immer reglos da rum. Ich will, dass sie endlich geht. Falls ich ihre Körpersprache richtig deute, hätte sie gern, dass ich sie jetzt in den Arm nehme und knuddle und ihr versichere, dass schon alles gut wird. Vor einer Woche hätte ich so etwas durchaus noch in Betracht gezogen, Umarmen oder wenigstens Rummachen, aber heute lässt mich die Personaltante völlig kalt, obwohl sie jetzt die Beine übereinanderschlägt, ohne ihren Rock zurechtzuziehen. Ihre Beine sind echt klasse, und es liegt wie gesagt auch nicht daran, dass sie nicht attraktiv wäre. Es ist nur so, seit ein paar Tagen, seit dem Abend mit der Praktikantin, kann ich beim zufälligen Anblick weiblicher Schenkel oder Brüste nur an ihre fruchtbaren, glühenden Lippen, ihre schimmernden Augen,
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