Der große Blowjob (German Edition)
unscharf und grobkörnig, dass sie aussehen wie Screenshots von YouTube oder bestenfalls so, als wären sie mit Uralt-Handys aufgenommen worden. Die Show zusammenzustellen und die Exponate aufzuhängen, die immerhin mit Klebeband an den Wänden befestigt sind, dürfte mindestens einen ganzen Samstag in Anspruch genommen haben, wenn nicht gar das ganze Wochenende, falls Marihuana im Spiel war. Kunst ist ehrlich gesagt nie mein Fall gewesen. Ich weiß nicht, ob mir die Show gefällt, weil die gezeigten Fotos keine Kunst im engeren Sinne sind, sondern einfach nur albern, oder ob ich sie gerade deshalb hasse, weil sie so unbedingt keine Kunst sein will, und es gibt ja wohl nichts Pseudokünstlerischeres als das. Kurz überlege ich, ob es noch andere Berufe gibt, in denen diejenigen, die sie ausüben, sich gleichzeitig davon distanzieren. Würde ein Arzt das tun? Wie dem auch sei, mit einem Mal wird mir richtig übel, doch als ich zu dem einzigen Behelfsklo im hinteren Teil des Raumes gehe, stehen dort massenhaft angetrunkene Mädchen Schlange, deshalb verziehe ich mich stattdessen ins Freie, um, wie heißt es so schön, frische Luft zu schnappen.
Draußen fällt mir dann Gandhi ins Auge, der mitten auf der Straße mit zwei schwarzen Typen ins Gespräch vertieft ist, und zwar nicht die Sorte weiße Schwarze, denen man bei solchen Anlässen sonst begegnet, die Sorte weiße Schwarze, die uns ertragen können, wie die weißen Schwarzen der Band TV on the Radio zum Beispiel. Nein, das hier sind richtige Schwarze, sie fallen richtig auf, ohne halb ironische Afros mit halb ironisch hineingesteckten Afrokämmen, denen es nie eingefallen wäre, sich augenzwinkernd mit «Negro» anzureden, Hemden mit Fliege zu tragen oder in der U-Bahn James Baldwin zu lesen. Seth stellt sie mir vor, sie heißen P-Mouse und Grain oder so ähnlich, ihre Namen gehen leider im dröhnenden Lärm unter, denn mittlerweile beschallt eine unechte Hair-Metal-Band die Straße von der Laderampe eines gemieteten Trucks aus.
«Hey, habt ihr euch schon die Kunst angesehen? Wie findet ihr die Sachen?», frage ich. Titmouse und Plain sind im Musikgeschäft, klärt Seth mich auf, und Kunst interessiert sie einen Scheiß.
«Kunst interessiert uns einen Scheiß», sagt D-Louse. Und der Müll hier, fährt er fort, sei sowieso keine Kunst, das seien bloß schlechte Fotos, auf denen irgendwelche dummen, reichen Tussis ihre dummen, reichen Möpse in die Kamera hielten. Moment, sage ich, bei der Kunst hier gehe es ja um einen subversiven, wenn nicht gar Gangsta-mäßigen Akt der Aneignung eines Motivs der Trash-Kultur durch das kulturell-intellektuelle Establishment. Plane sagt: «Wer soll da einen Scheiß drauf geben?», wofür ich ihn irgendwie glatt umarmen könnte. Dann erklärt Seth, warum die beiden mich gern kennenlernen wollten. Sie seien nämlich gerade dabei, eine kleine Musikproduktion aufzuziehen, hätten schon einige Tracks produziert, aus den härtesten Wohnblocks von Crown Heights, nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ganz groß durchstarten, und, halt dich fest, sie seien daran interessiert, ihr Talent der Werbung zur Verfügung zu stellen. Ich hätte nun die einmalige Chance, mit ihnen als Erster ins Geschäft zu kommen, mir einen Spitzen-Deal für einige Demos zu sichern, ehe Marken wie Nike und Diesel sie mir vor der Nase wegschnappten.
Zehn Minuten später sitzen wir an einem rostfleckigen Metalltisch in einem Laden namens Midnight Drab an der DeKalb Avenue. Der Laden hat kein Schild und nicht mal eine richtige Tür, und ob er wirklich Midnight Drab heißt, ist auch unklar, so wird er eben genannt, zumindest von Seth. Die Schwarzen bestellen Gin & Juice, und ich bestelle auch einen. Bevor ich zu der Vernissage gegangen bin, hatte ich zu Hause schon fast eine ganze Flasche Rotwein, und kurz kommen mir Bedenken wegen der gefährlichen Kombination von Trauben und Wacholder, mit der ich bislang noch keine Erfahrung habe, aber wir werden sehen. Eine Stunde später labern alle über die geilen Werbespots, die in letzter Zeit bei ESPN zu sehen waren. Der eine, wo der Typ so an einem Gebäude hochrennt und dann explodiert, und dieser andere, wo das Auto aus dem Arsch des Typen rausgefahren kommt. Ich habe keine Ahnung, worüber die reden. Als ich schon überlege, nach Hause zu fahren, um mir zu diesem französischen Modemagazin chefmäßig einen runterzuholen, bringt B-Louse – oder ist es Painboy? – ein Fläschchen mit Koks zum Vorschein. Na schön,
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