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Der große Blowjob (German Edition)

Der große Blowjob (German Edition)

Titel: Der große Blowjob (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mattei
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eine Ausnahme, für die Filme von Jean-Luc Godard nämlich. Und die Praktikantin erinnert mich stark an eine mit Photoshop bearbeitete Version von Chantal Goya, sie hat die gleiche Ponyfrisur, ähnliche Augen und Gesichtszüge, die gleichen vollen Lippen und hohen Wangenknochen. Doch sie wirkt nicht so mädchenhaft-melancholisch wie Goya, und sie hat auch nicht Goyas strahlendes, sprödes, optimistisches Lächeln, und sie ist jung, wie bereits erwähnt, aber wie jung genau, weiß ich nicht. Und ihr Lächeln ist irgendwie sonderbar, eine seltsame und seltene Mischung aus Verschmitztheit, Bedürftigkeit, einschüchternder Intelligenz, pubertärer ironischer Albernheit, Schönheit und so weiter.
    «Hey, Eric!», sagt die Neo-Chantal. Ich weiß ihren richtigen Namen immer noch nicht.
    «Hey.»
    Sie kommt über die Straße und bleibt direkt vor mir stehen, wartet ab, dass ich irgendwas mache, weitergehe zum Beispiel. Würde ich auch gern, aber selbst das wäre eine Art von Kommunikation, und ich möchte mich auf keinen Fall in irgendeinen Dialog mit ihr verwickeln lassen. Sie legt den Kopf schräg, und da ist wieder ihr Lächeln und ein kleines Lachen, wie um zu sagen: «Du und ich, wir haben rumgemacht, mehr oder weniger, und dann hast du mich ignoriert, aber ich bin hartnäckig und lasse nicht locker, und ich habe es geschafft, einen Job in deiner Agentur zu bekommen, und jetzt musst du schön freundlich zu mir sein, Pech für dich, und wir werden garantiert noch mal rummachen, irgendwann, aber wahrscheinlich nicht heute Abend.»
    Dieser Gedanke beschäftigt mich einen Moment zu lang, und dann sagt sie: «Wie fandest du die Party?»
    Ich beschließe, so zu tun, als hätte ich ihre SMS nicht bekommen. «Welche Party? Diese Kunstparty? Warst du auch dort?», frage ich.
    «Ich weiß, dass du meine SMS bekommen hast, Eric, ich habe gesehen, wie du sie gelesen hast!» Und wieder lacht sie, wieder dieses Lächeln, und ich wende den Blick ab.
    «Okay, ist ja gut, ich hab sie bekommen.» Mehr fällt mir nicht ein. Ich weiß nur, dass mir speiübel ist, keine Ahnung, warum, aus Angst vor ihr oder aus anderen Gründen, möglicherweise wegen des penetranten Geruchs nach verschmortem Plastik, der vom Asphalt aufsteigt, ein unterirdischer Kabelbrand womöglich.
    «Bist du sauer auf mich?»
    «Warum sollte ich sauer auf dich sein?»
    «Na ja, vielleicht, weil ich mir ein Praktikum in deiner Agentur besorgt habe, ohne dich vorher zu fragen oder so? Und auch, weil ich auf deinen schönen importierten Teppichvorleger gegöbelt habe.»
    Lustig kann sie ja schon sein. Ich muss unwillkürlich lachen.
    «Ah, ich hab’s geahnt, irgendwo da drin steckt doch ein menschliches Wesen», sagt sie mit einem schiefen kleinen Zwinkern. Ich sollte sagen, dass es entwaffnend wirkt, denn es ist wirklich entwaffnend.
    «Das hier ist ein freier Planet, du kannst sagen, was immer du willst, zu wem auch immer du es sagen willst.» Schon beim Reden ist mir bewusst, wie lahm dieser Spruch ist, ein plump konstruierter Schachtelsatz voll sinnloser, pedantischer Wiederholungen. Ich habe zu viel getrunken und bin rettungslos verloren.
    «Du
bist
also sauer. Oooh! Prima!»
    «Nein, ich bin nicht böse, warum sollte ich dir böse sein?»
    «Weil ich dich stalke??!?»
    «Stalkst du mich denn?»
    «Ist das nicht offensichtlich?», sagt sie wieder mit einem Lachen, als wäre jemanden zu stalken so harmlos wie hallo sagen. Sie ist so schräg, dass ich wieder den Blick abwenden muss, und mir fällt dieser französische Ausdruck ein,
jolie laide
, hübsch hässlich, und weil ich sonst nichts machen kann, lese ich das Schild an einer Lagerhalle, auf dem in unbeholfen gepinselten Buchstaben steht, GEBRAUCHTE POLIZEIAUTOS GMBH, DER NAME IST PROGRAMM ™ , was so ungefähr der mieseste Slogan aller Zeiten ist.
    Ich wende mich wieder ihr zu. «Ob du mich gestalkt oder ignoriert oder sonst was hast, ist mir offen gesagt gar nicht aufgefallen. Das kümmert mich eigentlich gar nicht.»
    «Warum hast du dann nicht kurz bei mir vorbeigeschaut, als du auf der Acht warst?»
    «Ich war überhaupt nicht auf der Acht», sage ich.
    «Doch, warst du. Du bist den ganzen Nachmittag durch den Flur gelaufen, hat Jake mir erzählt. Immer im Kreis herum, wie der letzte Überlebende eines Flugzeugabsturzes in der Wüste oder so, der glaubt, er würde irgendwann irgendwo hinkommen, aber tatsächlich in seiner eigenen Körperlichkeit gefangen ist.»
    «Ich habe keine Ahnung, wovon du redest»,

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