Der große Blowjob (German Edition)
könnte, in seinem tollen Range Rover vielleicht, der um die Ecke geparkt ist, auf der Meserole Street. Oder er denkt gerade das, was ich denken würde, nämlich dass Pitmouse und Brain ihn, auch wenn sie sich kaum kennen, schäbig verraten haben, auf ziemlich rücksichtslose Art und Weise. Aber nein, das hatte rein arithmetische Gründe, es waren zwei niedliche Mädels und drei geile Typen. Und die Mädels sind vermutlich erst kürzlich hierhergezogen, frisch von der Uni, nach einem Studium am Reed College, Bard College oder einem ähnlich elitären Laden, wohin reiche Leute ihre Sprösslinge eben so schicken, damit sie dort lernen können, den Sexismus und Rassismus zu entlarven, die unsere zeitgenössische Kultur latent prägen, vor allem die Werbung, und dank ihrem Studienabschluss sind sie nun qualifiziert, Kunst über den Sexismus und Rassismus zu produzieren, die unsere zeitgenössische Kultur latent prägen, vor allem die Werbung, und das machen sie ein paar Jahre, bis ihnen klar wird, wie total unsinnig das alles ist. Dann schwenken sie um und suchen sich einen Job in ebendieser Werbung, statt sie immer nur kritisch von außen zu zerpflücken. Sie verbringen eine Zeitlang sozusagen in der Höhle des Löwen, um diese Erfahrung vielleicht eines Tages zu Kunst zu verarbeiten oder eine Graphic Novel darüber zu schreiben – was sie dann doch nie tun.
Ich sehe mich nach was zu trinken um, nicht dass ich noch was bräuchte – außerdem hab ich seit beinahe fünf Tagen nichts mehr gegessen, was meine quasidystopische Stimmung zusätzlich vertieft. Die herumstehenden roten Plastikbecher sind alle leer, bis auf die, in denen Zigarettenkippen schwimmen.
Da endlich sieht Seth von seinem Handy auf und lässt suchend den Blick durch den Raum schweifen. Vermutlich hält er Ausschau nach mir oder irgendjemand anderem, an den er sich ankletten kann. Ich zwänge mich durch das Loch in der Trockenbauwand, das auf die hintere Treppe führt. Mir ist bewusst, dass er mich noch gesehen und auch mitbekommen hat, dass ich so getan habe, als würde ich ihn nicht sehen.
Ich bleibe aber nicht stehen, drehe mich nicht um, bis ich unten auf der Straße bin. Sollte ich jetzt seine Schritte hinter mir hören oder seine Stimme, die nach mir ruft, würde ich ihm vermutlich klipp und klar sagen, was er für ein Arschloch ist, dass ich seinen gottverdammten experimentellen Theater-Scheiß zum Kotzen finde, die reinste Tortur, mach meinetwegen auf Imker in deiner Freizeit, aber verlange nicht, dass die Leute Geld dafür zahlen, um dir dabei zuzusehen, wie du auf der Bühne einen Monat lang Farsi lernst, & dass er endlich den Tatsachen ins Auge sehen & sein Auto verkaufen soll, weil ich ihm keinen Job besorgen werde.
Auf der Meserole Street angekommen, beschließe ich, von hier aus bis zur Marcy Street zu laufen, weil man dort mit etwas Glück ein Taxi kriegt. Der Weg führt allerdings an einer Siedlung aus Sozialbauten vorbei, und kurz kommen mir Bedenken, mich mit meinem Telefon am Ohr in der Gegend blicken zu lassen, in letzter Zeit sind dort iPhones geklaut worden, habe ich gehört, Mädchen, die hier laut telefonierend langspaziert sind, haben sogar ’ne Faust ins Gesicht gekriegt, ganz zu Recht. Es geht ja gar nicht um das Telefon, es geht um die Selbstbezogenheit, hier, Lady, da haben Sie Ihr Telefon zurück. Über all das denke ich nach, um meine Angst zu verdrängen oder nicht durchzudrehen, als ich höre, wie jemand meinen Namen ruft. Ich werde nicht überfallen, Gangster wissen nicht, wie ich heiße, und außerdem ist es eine Mädchenstimme.
Ich schnelle herum, und da sehe ich sie, auf der anderen Straßenseite, sie kommt auf mich zu. Sie trägt einen Rock, der sich eng um ihre Schenkel schmiegt, und dazu diese edlen Gummistiefel von Hunter. Außerdem ein graues Kapuzenshirt, auf dem, glaube ich,
Tribecastan
steht, und eine Wollmütze mit Ohrenklappen, vermutlich von französischen Omis gestrickt, von dieser Mützen-Website, die vor Jahren mal so angesagt war. Eigentlich war es für so eine Mütze gar nicht kalt genug, aber ich konnte nicht abstreiten, dass sie ihr Gesicht sehr niedlich einrahmte, auch dass eine der Ohrenklappen etwas schiefer sitzt als die andere. In der Regel sehe ich mir grundsätzlich keine Filme an, die vor 1972 entstanden sind, weil ich glaube, dass es da noch keine guten gab. Wegen der schweren, sperrigen Kameras, die leichteren Arris kamen erst in jenem Jahr auf den Markt, aber gelegentlich mache ich
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