Der große Blowjob (German Edition)

vielleicht bleibe ich noch auf einen G&J, auch wenn ich mir dafür von diesen Königen des Alternative-Garage-Hip-Hop Demo- CD s aufdrängen lassen muss. Ich schnappe mir das Fläschchen, bücke mich unter den Tisch, als wenn ich mich nach etwas bücken würde, und ziehe eine Nase. Als ich wieder auftauche, grinsen die beiden, während Ravi Shankar eine Fresse zieht.
    «Keine Sorge, ich hab’s beim Barkeeper besorgt», sagt Louse, in dem Laden hier braucht man sich also keinen Zwang anzutun. Ich nehme noch eine Nase, diesmal ganz offen. Seth sieht mich mit einem Blick an, der sagt: Mach du mal, ist cool, das tangiert mich nicht, ich stehe inzwischen weit über den Dingen, auf dieser höheren yogischen Ebene der Abstinenz, nur ein stummer Zeuge des Nebels menschlicher Armseligkeit, der hier vor mir wabert. Zum Spaß halte ich ihm das Fläschchen hin. Er reagiert humorbefreit. Komischerweise wollen Louse und Jane auch nicht.
    «Ist alles für dich, Dog.»
    Inzwischen bin ich also betrunken und high und sitze mit drei Idioten zusammen, Typen, die jeden ihrer Sätze mit Yo oder Dog oder Schwuchtel beenden. Und das ist leider in puncto zwischenmenschliche Kontakte der einsame Höhepunkt meiner Woche, die sexuelle Begegnung vor viereinhalb Tagen mal ausgenommen.
    Wir beschließen, abzuhauen und noch zu der After-Party der Vernissage zu fahren, die im Dachgeschoss einer alten Fabrik in Ridgewood steigt. Seth hat nach wie vor den Range Rover, den seine Eltern ihm zum Geburtstag geschenkt haben, als sie noch gut bei Kasse waren. Hat ihn noch nicht verkauft, obwohl er sich den Unterhalt kaum leisten kann. Ich meine mich zu erinnern, dass er mal etwas von einer abgelaufenen Versicherung erwähnt hat, und wie nervig es ist, wegen der speziellen Parkvorschriften den Wagen ewig von einer Straßenseite auf die andere umparken zu müssen. Kaum sind wir bei der Loft-Party, auf der sich dieselben Typen drängen, die auch schon bei der Show waren, und unsere Hip-Hop-Freunde sind weiterhin die einzigen Afroamerikaner weit und breit, taucht ein Typ mit gewachstem Schnurrbart und Augenklappe auf, der mit einem Eimer seine Runde durch die Menge dreht, um Geld für das Fass Milwaukee’s Best zu sammeln, das bereits leergetrunken ist. Blitzartig wird mir klar, dass es ein Fehler war, heute Abend überhaupt auszugehen. Die drei unterhalten sich mit zwei Mädels. Seth meint wohl bei denen landen zu können, weil etwas von der Street Credibility seiner Ghettofreunde auch auf ihn abstrahlt, aber die Mädels sind viel zu fasziniert von der Möglichkeit, eine Nummer mit Louse oder Pain zu schieben und später dann darüber zu twittern.
    Ich hole mein Handy aus der Tasche, um einen Wagen zu bestellen, und sehe erst jetzt die SMS .
    dreh dich mal um!!!
    Shit.
    Ich stecke das Handy zurück und beobachte weiter Seth, die Mädchen und die beiden Homies. Eins der Mädchen trägt einen diagonal gestreiften Diane-von-Furstenberg-Dress aus den Achtzigern, eigentlich hat sie nicht die Figur dafür, scheint ihr egal zu sein. Natürlich muss ich mich nur deswegen so kritisch mit ihr beschäftigen, weil ich mich auf keinen Fall umsehen will. Die Praktikantin soll nicht denken, ich suche sie. Nach ein, zwei Minuten merke ich, dass ich den Anruf beim Fahrservice vergessen habe, aber dafür müsste ich wieder das Phone rausholen, was von der Praktikantin, falls sie mich von irgendwo in dieser keimigen Etage voller Poser im Auge behält, missverstanden werden könnte. In dem Sinn, dass sie mir nicht völlig egal ist.
    Dann kriege ich mit, wie Titmouse den Mädels ein Fläschchen Koks anbietet, und sie nehmen das Angebot begeistert an. Die jungen, dünnen weißen Hühner aus der gutbürgerlichen Vorstadt verkrümeln sich also mit den Typen aus Crown Heights zu einem Fenster, wo sie auf einen Heizkörper steigen und aufs Dach rausklettern, um sich dort das Koks reinzuziehen. Eins der Mädchen wirft einer Freundin, die am Kühlschrank steht, einen aufgeregten Oh-My-God-Blick zu, als sie nach der Pranke greift, die Titmouse ihr hinhält, und die Freundin versucht noch, die beiden mit ihrem Handy abzulichten, aber zu spät, sie sind bereits aus dem Fenster geklettert.
    Ich wende meine Aufmerksamkeit wieder Seth zu. Er starrt konzentriert auf sein Handy, als wollte er so den Schmerz über die Abfuhr verdrängen, der ihm deutlich ins Gesicht geschrieben steht. Möglicherweise bereut er gerade, dass er keine Drogen mehr nimmt, weil er sonst heute Abend noch Sex bekommen