Der große deutsche Märchenschatz
bequemer.
Bald fing es an, dunkel zu werden, und trübe Wolken zogen herauf. Auch hatten sie im Schlosse, wie man deutlich sehen konnte, die Lichter schon angesteckt. Da ging die Not los. Der Esel schlich langsamer und immer langsamer, und als er mitten in einem rabenschwarzen Walde war, blieb er mit einem Mal ganz und gar stehen. Da half kein Bitten, kein Streicheln, kein BügelreiÃen, und als sein Herr ihm zuletzt mit Hacken und Fäusten eine volle Stunde lang fortwährend zugesetzt, machte das Tier kurzen Prozess: Kopf zwischen die Beine, Hinterteil in die Höhe, und mit einem Ruck lag der Reiter auf dem harten Boden.
Das war kein Polsterkissen, und nun gar für einen, dessen Arme und Beine von dem vielen Schlagen selbst ganz zerschlagen waren. Und vor ihm flimmerte das Schloss schon ganz nahe durch die Bäume, als winkte es ihn so recht zu sich hin. Ach, was für prächtige Betten mussten da drinnen sein!
Dieser Gedanke einzig und allein gab dem Zerschlagenen die Kraft, aufzustehen. Aber was nun machen? Gehen? Das war unmöglich; er konnte ja kaum noch stehen, so schmerzten ihn alle Glieder. Vielleicht hatte sich ja auch sein Grauer unterdes eines Besseren besonnen. Er tappte also wohl eine Viertelstunde nach ihm umher, stieà hier den Kopf an einen Baum, riss da sein Gesicht an den Dornen entzwei, stolperte überall an Wurzeln und Steinen, aber wer nicht zu finden war, das war der Esel. An Liegenbleiben war nun gar nicht zu denken, denn von Zeit zu Zeit ging ein Heulen durch den Wald wie von hungrigen Wölfen.
Plötzlich stieà er an etwas Weiches; es war nicht sein Esel, aber es war doch wie ein Sattel anzufühlen. Eben wollte er sich hinaufschwingen, als er merkte, es sei ein kaltes, nasses Tier, das er besteige. Ihm schauderte. Indes aber schlug eine Glocke in der Ferne. Er zählte; sie schlug elf Schläge. Es war die höchste Zeit, in einer Stunde konnte er das Schloss noch erreichen, und er hob sich in den Sattel.
Es saà sich auch gar nicht übel da oben, ungemein weich, und im Rücken eine hohe Lehne, auch ging das neue Tier sehr sicher, nur noch viel langsamer als das frühere. Dennoch kam er dem Schlosse allmählich immer näher, und schon konnte er die erleuchteten Fenster darin zählen, als der Mond aus den Wolken trat und hell auf ihn herunterschien.
Oh Wunder! Was erblickte er da! Das Tier, worauf er saÃ, war kein Pferd und kein Esel, sondern eine groÃmächtige Schnecke, so groà wie ein Kalb, und ihr Haus, das sie auf dem Rücken trug, hatte ihm zur Lehne gedient. Da warâs nun wohl natürlich, dass er nicht schneller weiterkam. Ihn überlief es eiskalt! Aber das half alles nichts; er musste froh sein, auf solche Weise seinem Ziele näher zu kommen. Und wirklich, schon schlug die Glocke aus der Ferne den ersten der zwölf Schläge, mit denen sie in langen Zwischenräumen die Mitternachtsstunde verkündigen sollte. In diesem Augenblicke schob sich sein neues Saumtier mit ihm aus dem Wald heraus, und das prächtige, wunderbare Schloss des Glückes lag dicht vor ihm da. Bisher hatte der Faule auf seinem Sitze kein Glied gerührt, jetzt drückte er dem Tiere beide Fersen in die weichen, schwammigen Seiten. Das aber war solche Behandlung nicht gewohnt, im Nu zog es sich mit Kopf und Kragen in sein Haus hinein und lieà den Reiter zu Boden gleiten.
Jetzt brummte die Turmuhr den zweiten Schlag. Hätte der Faule sich zusammengenommen und seinen FüÃen vertraut, noch immer hätte er sein Ziel erreichen können, ehe der letzte Schlag verhallt wäre. Aber nein! Er stand da und rief jammernd: »Ein Tier! ein Tier! Was es auch sein mag, nur ein Tier, das mich zum Schlosse hinträgt!«
Unterdes waren fast sämtliche Lichter im Schlosse erloschen; der Mond trat wieder hinter dunkle Wolken, und ringsumher war es, wie früher, dunkle Nacht.
Die Turmuhr schlug den dritten Schlag. Da hörte er neben sich etwas rasseln, es kam durch die Dunkelheit daher wie ein gepanzertes Ross und hielt neben ihm still. »Das wird mein Schimmel sein«, rief der Faule, »den hat mir der Himmel zur rechten Zeit geschickt!« So rasch es ihm möglich war, schwang er sich dem Tiere auf den Rücken; nur ein kleiner Hügel war noch zu erklimmen, noch sah er die Torflügel des Schlosses offen, und in der Tür stand sein Kamerad und winkte ihm jubelnd mit seiner Mütze zu.
Schon schlug die
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