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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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sie in einen großen Saal. Decke und Wände glänzten von Gold und Edelsteinen; über den Fußboden aus blendend weißem Marmor waren grüne Tannenzweige gestreut, Blumengirlanden umschlangen die Säulen, welche das Gewölbe trugen. In der Mitte stand ein kristallener Tisch, darauf brannte eine Lampe, welche wie die Sonne leuchtete, dass Willibald nicht hineinsehen konnte; blitzeblanke Stühlchen aus Silber umgaben den Tisch, an dessen oberem Ende ein kleiner goldener Thronsessel mit rotsamtnen Polstern stand. Auf diesem nahm der König Platz, und Willibald musste sich neben ihn setzen. Dann klopfte er mit seinem Szepter auf den kristallenen Tisch, das gab einen so wundervollen Klang, wie man ihn auf Erden nimmer hört. Wenige Minuten darauf kamen kleine Zwergweiblein hereingetrippelt; sie brachten köstliche Speisen und süß duftende Früchte und setzten alles vor Rotifax und seinen Gast auf den Tisch, nachdem sie zuvor ein kostbares weißes Tuch darübergebreitet hatten. Nun musste Willibald zugreifen, und noch nie hatte ihm etwas so gut geschmeckt wie diese Mahlzeit aus der Zwergenküche.
    Als er gesättigt war, schlug Rotifax nochmals an den kristallenen Tisch; und wieder erschienen die sauberen Weiblein, räumten die leeren Schüsseln hinweg und setzten statt ihrer kostbare Krüge und Flaschen, mit süßen Weinen gefüllt, auf die Tafel und goldene, mit Edelsteinen besetzte Becher dazu. Der König selbst füllte die Pokale, stieß mit Willibald an, dass es im Saale widerhallte, und sprach: »Auf dein Wohl, mein Sohn, dieser Trunk soll dir Glück bringen!« Dann leerte er den Becher in einem Zuge, und während Willibald desgleichen tat, ertönte liebliche Musik vom andern Ende des Saales her. Da standen wohl fünfzig Zwerge und machten Musik auf den niedlichsten kleinen Instrumenten, die man sich nur denken konnte.
    Â»Nun will ich dir auch mitteilen«, sagte König Rotifax, den Becher seines Gastes mit einem andern funkelnden Weine füllend, »warum ich es so ungern sehe, wenn die Burschen der Nachbarschaft auf den Heinzelstein hinaufklettern. Solange nämlich die höchste zackige Felsspitze unversehrt gen Himmel ragt, nur so lange habe ich ein Recht daran, darf auf der Erde umherziehen und schalten und walten, wie ich will. Verwittert sie aber oder wird sie sonst zerstört, so kostet’s mich die Königskrone, und ich darf nur noch unter der Erde meine Macht ausüben. Kommt nun einer oben an, so tanzt und springt er gewöhnlich ganz unvernünftig herum, und mit Schrecken und Betrübnis sehe ich, wie dabei ein Stückchen nach dem andern vom Felsen abgestoßen wird. Dass deine Vorgänger alle auf meiner Burg den Tod fanden, haben sie nur ihrem Hochmut und ihrer Unverschämtheit zu danken. Wenn ich sie bat, die Felsspitze zu schonen, lachten sie mich aus und spotteten über meine kleine Gestalt; ich solle nur kommen, riefen sie, sie wollten den Kampf mit so einem Knirps schon wagen. Das reizte meinen Zorn, ich zeigte ihnen meine Gewalt und stürzte sie allemal nach kurzem Handgemenge hinab in die Tiefe. Du aber saßest ruhig auf der Zackenspitze, die schöne Aussicht genießend, und batest den Vater, mein Leben zu schonen, als ich dich oben gefesselt hielt, damit du bei der eintretenden Dunkelheit keinen Fehltritt tun möchtest. Ich bin dir von Herzen gut und freue mich über deinen Besuch. Nun möchte ich dich noch um einen Gefallen bitten.« – »Oh sagt, was ist es?«, rief Willibald eifrig. – »Die Leute aus eurem Dorf«, fuhr Rotifax fort, »schießen so oft nach den Falken und Raben, welche den Heinzelstein umkreisen. Das grämt mich, denn auch dabei treffen sie gar oft den Stein, und jedes Mal bröckelt etwas davon ab.« Willibald versprach dem Zwerge, sein Möglichstes zu tun, dass keiner mehr nach den Vögeln auf dem Zwergenschloss schieße.
    Nachdem sie noch ein Stündchen zusammengesessen und Rotifax von seinem Leben im Gebirge und den sauern Mühen und Arbeiten der Erdmännlein erzählt hatte, führte er Willibald in seine Schatzkammer. Das war aber eine Pracht und ein Reichtum, der da aus unzähligen Kisten und Kasten von Tischen und Wänden und aus allen Winkeln dem erstaunten Försterssohn entgegenstrahlte. Nie hatte der geahnt, dass es so viel Gold und Edelsteine und kostbare Dinge auf der Welt überhaupt gebe. Der

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