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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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nach der Hauptstadt zu gehen, wo er einiges Geld dafür löste. Das war zwar sehr wenig, doch lebte er davon mit seinem lieben Kinde zufrieden und von Herzen froh. – Jetzt war aber der arme Mann seit einiger Zeit erblindet und vermochte nichts zu verdienen; da entschloss sich Elsbeth, die nun schon sechzehn Jahr alt war, des Vaters Geschäft zu betreiben, soviel es einem Mädchen von ihrem Alter möglich ist. Sie war kräftig und flink, obschon äußerst fein und zart, von schlanker Gestalt und lieblichem Antlitz.
    Eines Tages ging sie auch wieder mit Angel und Netz in den Wald, um im Bache zu fischen. Wohl zwei Stunden brachte sie dort an den gewohnten Stellen zu; kein Fisch wollte sich zeigen. – »Geht’s nicht hier, so geht’s woanders«, dachte sie und zog tiefer in den Wald hinein. Aber auch da wollte nichts kommen. So zog sie weiter und weiter, bis sie zu einer Stelle kam, wo das Wasser zwischen runden, seltsamen Wänden einen tiefen, dunklen Weiher bildete. Ringsum standen schöne Blumen und farbige Büsche, und das alles gab einen anmutigen Widerschein in dem dunklen Spiegel des Wassers.
    Es war Mittag, alles still in weiter Runde. Kein Lüftchen ging, kein Blättchen bewegte sich, und alle Vögel in den Bäumen schienen zu schlafen. Nur einige blaue Libellen flatterten über dem Wasser hin und her und sogen hier und dort an den gelben Wasserlilien und den weißen Seetulpen.
    Nicht weit vom Ufer ragte ein weißer, platt gewaschener Stein aus der Flut heraus, gerad als wär er zu einem bequemen Sitz eingerichtet. Mit leichten Sprüngen hüpfte Elsbeth über die Kiesel zu dem Stein hin, setzte sich darauf, warf ihre Angel aus und sang mit klarer Stimme ihr Lockliedchen:
    Â»Fischchen, komm schnell!
    Sonne scheint hell,
    Mückchen im Sonnenschein
    Wartet hier oben dein.
    Mückchen ist zart und frisch,
    Hol dir’s, du schöner Fisch!«
    Kaum war die Schnur im Wasser, so biss auch schon etwas an, und wie sie’s heranzog, war es ein Goldfisch. Als Elsbeth ihn von der Angel losmachen wollte, sah sie, dass er sich nicht am Haken, sondern in die Schnur eingebissen hatte, auch ließ er sich ohne Sträuben von ihr in die Hand nehmen. Er schaute sie mit seinen klaren, klugen Augen lange an.
    Â»Was siehst du mich denn so an, du hübscher Fisch?«, sprach Elsbeth und freute sich über den Glanz seiner Schuppen. »Ich bin dir gut«, antwortete ihr der Goldfisch, »und will dich glücklich machen!« – Elsbeth erschrak und warf ihn ins Wasser zurück; das Tier aber rief wieder von unten: »Und wenn du mir nicht glaubst, so hebe das große Blatt der Seetulpe auf, das rechts von deinem Stein sich über das Wasser legt. Dort schau hinunter.« – Bei diesen Worten schoss der Fisch in die Tiefe.
    Elsbeth wunderte sich allerdings ein wenig über dies seltsame Abenteuer, bald aber gefiel ihr die Sache, und sie tat, wie jener es ihr geheißen. Als sie das gewaltige Blatt aufhob, sah sie wie durch einen Kristall tief auf den Grund des Sees. Ein klares Licht ergoss sich durch das Wasser; da schaute sie Wunder über Wunder. In einem blühenden Garten stand ein Königsschloss und vor dem Schlosse zwei Thronsessel mit weißem Samt; auf dem einen lag der Goldfisch, der andere stand leer; auch sah sie Ritter und Fräulein durch die Hecken da unten ziehen und vor dem Goldfisch sich neigen. Von dem Stein, auf dem Elsbeth saß, führte eine kristallene Treppe hinunter zu dem Schloss, und auf jedem Absatz der Treppe standen Pagen, die sahen nach ihr hinauf, als warteten sie ihres Winkes. Das sah alles so schön aus, dass Elsbeth sich gar nicht satt daran sehen konnte. – Nach einiger Zeit bemerkte sie, wie der Goldfisch sich von seinem Thronsessel erhob und an die Oberfläche des Wassers heraufgeschwommen kam. Wieder sah er sie so freundlich an und rief: »Elsbeth! Verlass deinen Vater und deine arme, schlechte Hütte und komm zu mir herunter. Da sollst du auf dem Thronsessel, den du gesehen, neben mir sitzen und eine Prinzessin sein, und ich will dir Freuden schaffen, soviel das Jahr Tage zählt.«
    Â»Ei, du nichtsnutziges Tier!«, rief Elsbeth im höchsten Zorn. »Meinen Vater sollt’ ich verlassen? Da nimm die Antwort auf deine dummen Reden!«, und dabei ergriff sie den nächsten Kieselstein und warf ihn dem Fisch an den Kopf.
    Der Fisch und der Stein plumpten ins

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