Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
Vom Netzwerk:
Wasser, aber in demselben Augenblick erhob sich ein Wirbelwind, und die Wellen des Sees spritzten mit weißem Schaum hoch in die Luft. Tief aus dem See herauf erscholl ein durchdringender Ton, erst wehmütig und klagend, als sollt’ er einem das Herz mitten entzweischneiden, dann aber klang es wieder wie lustige Flöten und Schalmeien, bis endlich auch diese Töne schwiegen. Die Wellen besänftigten sich, und das Wasser war so still und dunkelgrün als zuvor.
    Nun sah Elsbeth auch den Goldfisch wieder aus dem Wasser tauchen, er schwamm aber nicht wie vorhin, sondern lag auf der Seite, und als sie näher hinschaute, war es nur die Haut des Tieres, weder Fleisch noch Gräten darin.
    Schnell griff sie mit der Hand danach und hatte eben die Fischhaut über das Wasser hervorgezogen, als das große Blatt der Seetulpe neben ihr sich erhob und ein weißer Menschenarm darunter herauffuhr, der ebenfalls nach der Schuppenhaut greifen wollte. Aber schon hatte das Mädchen diese in ihrer Schürze verborgen, und die weiße Hand zog sich wieder unter das Wasser zurück.
    Elsbeth sprang nun schnell von ihrem Steine weg ans Ufer und machte, dass sie so rasch wie möglich aus dem Walde kam. Es war ihr doch an dem See recht unheimlich zumute geworden. Erst als sie den Wald hinter sich hatte, nahm sie die Schuppenhaut aus ihrer Schürze hervor. Ei, wie war die schön! Wie funkelte sie im Lichte! Der Glanz schien wie lauter Abendgold und Abendröte, es war wundervoll zu sehen; und doch ward Elsbeth auch wieder recht von Herzen traurig, wenn sie daran dachte, dass sie aus bloßer Übereilung den armen Fisch totgeworfen hatte. Der hatte es vielleicht mit seinen dummen Reden gar nicht so böse gemeint. Das Mitleid trieb ihr sogar die Tränen in die Augen.
    Als sie nach Hause kam, wollte sie erst dem Vater alles erzählen, was ihr begegnet war; jedes Mal aber, wenn sie davon anfangen wollte, war’s ihr wieder, als wenn ihr eine Stimme zurief: »Elsbeth, tu es nicht!« – So verschloss sie denn die Schuppenhaut heimlich in ihre Kiste, sie hoffte dieselbe ihrer seltenen Schönheit wegen in der Hauptstadt für ein paar Groschen zu verkaufen und dem Vater eine unverhoffte Freude zu machen.
3.
    Wenige Tage nachdem sich dies zugetragen hatte, war in den Städten und Dörfern des Landes großer Jubel. Herolde und Boten ritten auf allen Straßen umher und verkündeten dem Volke: der junge Königssohn, der vor längerer Zeit auf der Jagd, man wusste nicht wohin, verschwunden war, sei in der Hauptstadt wieder angekommen. Zugleich ward bekannt gemacht, dass er sich nun auch vermählen wolle, und zwar in der Art, wie das Gesetz des Landes es vorschrieb.
    Nach einem alten Brauche mussten dann nämlich die schönsten und reichsten Mädchen des Königreichs nach der Hauptstadt kommen, ein Schiedsgericht musste bestimmen, welche von diesen die allerschönste und zugleich die allerreichste sei, und mit dieser feierte dann der Prinz nach drei Tagen seine Hochzeit. Da gab es nun überall, wo die Boten hinkamen, einen großen Lärm. Jedes Mädchen, das nur irgendein niedlich Näschen oder ein Paar pfiffige Augen im Kopfe hatte und dabei hoffärtig und eitel war, hielt sich für das allerschönste. Aber selbst die hässlichen dachten bei sich, kein Mensch sei ja vollkommen, und außer einigen kleinen Schönheitsmängeln seien sie doch viel schöner als andere, die zwar regelmäßige, aber sehr langweilige Gesichter hätten. Und dachten das nicht die Töchter, so dachten es doch manche ihrer Mütter. Was aber den Reichtum betraf, so verkauften die Herren Väter so schnell es nur ging ihre Häuser und Gärten und Wald und Feld, um nur reiche Kleider und Karossen und Dienerschaft für ihre Töchter anzuschaffen. Denn natürlich musste jede in dem Schmuck, den sie bei diesem Feste trug, ihren Reichtum bekunden.
    Der letzte Tag des Monats war als der Termin bestimmt worden, wo in der Hauptstadt die große Festlichkeit stattfinden sollte.
    Von allen diesen Neuigkeiten war nun in der stillen Fischerhütte am Meer nicht das Geringste bekannt geworden. Wie sollte auch zu der einsamen Gegend die Kunde davon dringen! Zudem hatte Elsbeth in den letzten vierzehn Tagen nur so viel Fische gefangen, wie sie und der Vater zu ihrem Unterhalt bedurften, und daher nichts nach der Stadt gebracht. Das war aber sehr traurig, denn ihr

Weitere Kostenlose Bücher