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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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die Haare vom Kopfe scheren, so mache ich deinen Vater gesund.« – Das Mädchen ging voller Freude auf den Handel ein. »Nun aber noch eins«, sprach das Männlein, »wir müssen jetzt nach der Stadt, ich um meine Salben und Kräuter zu holen, du um dir das Haar abschneiden und die Zähne ausbrechen zu lassen; denn nur dort kann das geschehen!« Und Elsbeth war auch dazu bereit, hatte sie ja doch Hoffnung, dass ihr blinder Vater sehend würde.
    Nun führte der Doktor sie auf einem Fußweg in den Wald, denn dort, sagte er, liege im Flusse ein Schifflein, und das könne sie schon in einer Stunde nach der Stadt bringen, während sie auf der Landstraße viel längere Zeit zu gehen hätten.
    Erst war der Fußsteig bequem, dann aber zog er sich durch unwegsames Dickicht unter alten Bäumen hin, durch deren dunkle Wipfel fast kein Abendschimmer dringen konnte. Weiße Spinnweben zogen sich darin überall von Busch zu Busch und legten sich dem Mädchen, indem sie durchschlüpfen wollte, um Hand und Gesicht, um ihr rotes Mieder und um ihr blaues Röckchen. Elsbeth wollte sich das garstige Gespinst abstreifen, aber das Männlein sprach:
    Â»Lass sein, lass sein!
    Keine Seide so fein,
    Kein Schleier so schön,
    Wirst sehn! Wirst sehn!«
    Da ließ sich das Mädchen denn ruhig von den Geweben umspinnen. – Darauf fiel ein kühler Abendtau in großen Tropfen von den Blättern der Bäume, die hingen sich an ihren Nacken und an den Hals und in die Kleider. Elsbeth wollte sie sich abschütteln, aber das Männlein rief:
    Â»Lass sein, lass sein!
    Kein Perlenschein,
    Kein Edelstein
    Erglänzt so fein!«
    Und das Mädchen ließ die Tropfen ruhig hängen. – Darauf kamen sie an ein kleines Wässerlein, das spülte dem Mädchen über die nackten Füße. Sie wollte das Wasser abschütteln, aber das Männlein rief:
    Â»Lass in Ruh’, lass in Ruh’
    Die silbernen Schuh’!«
    Und wirklich glänzte das Wasser an ihren Füßchen, als hätte sie Schuhe und Strümpfchen aus Silbertaft an.
    Endlich gelangten sie zum Fluss, auf dem eine Gondel lag. Am Ufer war das Wasser glatt und still, und zwischen kleinen Wasserblümchen flimmerten darin so hell die Sterne; es sah aus, als wären sie nicht der Widerschein des Himmels, sondern als wiegten und schaukelten sie sich wirklich in der Flut.
    Von dem weiten Wege und dem lauen Sommerabende glühten der Elsbeth recht ihre Backen. Sie klagte es dem Männlein, das riet ihr, den Kopf dreimal ins Wasser zu tauchen, das würde ihr Labung bringen. Und wie sie es tat und den Kopf zum dritten Mal heraufzog, war es ihr, als wären die kleinen Wasserblümchen ihr im Haare hängen geblieben und als leuchte ihr ein heller Schein um den Kopf. Wieder fuhr sie mit der Hand dahin, um das, was da war, abzustreifen, aber das Männlein rief:
    Â»Halt ein, halt ein!
    Schau nur hinein
    Ins Wasser drein.
    Jetzt bist du fein!«
    Und wie Elsbeth in den Wasserspiegel hinunterschaute, sah sie sich selber, aber geziert mit einem Schmucke, wie kein Gold ihn erkaufen kann. Die feinsten weißen Schleier, bestreut mit strahlenden Perlen und Edelsteinen, umwanden ihren schlanken Leib, ein Kranz von funkelnden Sternen, die zwischen zarten Wasser-Ranunkelchen ihre Strahlen hervorbrechen ließen, umgab ihr schönes dunkles Haar; und um den Schmuck zu vollenden, kamen noch ein Paar Leuchtkäferchen angeflogen, setzten sich ihr an die beiden Ohrläppchen und blieben daran hängen, als wären es kostbare Ohrbuckeln.
    Mit stillem Lächeln betrachtete Elsbeth ihr Spiegelbild im Wasser. »Ei, wie seh ich hübsch aus!«, rief sie in kindlicher Freude, »hätt’ ich doch nie gedacht, dass ich so aussehen könnte!« – Doch das Männlein trieb zur Eile. Nicht leicht ward es dem Mädchen, sich von dem Bilde im Wasser zu trennen, dennoch folgte sie seinem Rufe und bestieg mit ihm die Gondel.
    Diese trieb den Fluss entlang, und als sie beide nun so still dahinfuhren und Elsbeth immer und immer wieder in der Flut neben sich ihr Spiegelbild flimmern sah, und als ihr dabei der Gedanke kam, dass all der Schmuck, der sie zierte, doch nur für den Augenblick sei und dass sie obendrein ihr schwarzes Haar und ihre blanken Zähne hergeben sollte, da fing es denn doch an, ihr schwer aufs Herz zu drücken, denn auch Schönheit ist ein Gut, das wohl keiner,

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