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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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bisschen Geld war fast zur Neige. Da fiel dem Mädchen die kostbare Goldfischhaut ein, die sie in ihrer Kiste hatte, und das machte ihr wieder neue Hoffnung.
    Es war gerade der Abend vor dem Letzten des Monats, als sie ihren Vater bat, er solle sie auf ein paar Tage nach der Stadt gehen lassen, um einige Einkäufe zu machen, denn dass es mit dem Gelde so schlecht stand, wollte sie dem armen Mann noch nicht sagen, um ihm nicht jetzt schon Kummer zu machen. Gern gab der Vater ihrer Bitte nach. Wie freute sich Elsbeth, wenn sie daran dachte, wie viel Freude sie ihm mit dem Gelde machen konnte, das sie für die Schuppenhaut bekommen würde.
    Früh am anderen Morgen nahm sie ihr Körbchen, legte heimlich die Wunderhaut hinein, deckte ihr Tüchelchen darüber und begab sich auf den Weg zur Stadt.
    Lange war sie nur einsame Wege durch Sand und Dünen und Heide gegangen, als sie aber auf die große Landstraße kam, war es mit der Stille und Einsamkeit vorüber. Glänzende Staatswagen mit Vorreitern und Bedienten hinten und vorn rasselten an ihr vorüber, und in den Wagen saßen geputzte Jungfrauen, mit Samt und Seide und Federn und Schmuck bedeckt, die reckten die Hälse in die Luft wie die Pfauen, wenn sie ein Rad schlagen. Wo sie hinfuhren und was sie für Gedanken im Sinn hatten, lässt sich leicht erraten.
    Der prächtigste Wagen aber kam ganz zuletzt. Acht Schimmel, so weiß wie Wellenschaum, zogen ihn in vollem Galopp, sie hatten meergrünes Geschirr und Schilfbüschel auf den Köpfen. Die Dame, die in der Kutsche saß, war ebenfalls weiß und meergrün gekleidet und sah zwar nicht schön, aber sehr stolz und wunderlich aus. Die Kutsche war von durchsichtigem Kristall und mit Seetulpen und Schilfblättern bekränzt.
    Elsbeth war ganz in Staunen versunken, wie sie den blitzenden Wagen schon von Weitem daherrollen sah. Sie merkte darüber gar nicht, dass ihr das Körbchen vom Arme rutschte und sein Inhalt auf den Weg fiel. Indem war auch der Wagen schon da, und zugleich fiel ein Sonnenstrahl auf die Schuppenhaut, dass sie hell aufblitzte. – Wie durch einen Zauberschlag standen die Rosse still, da rief die stolze Jungfrau aus dem Wagen mit laut klingender Stimme:
    Â»Mein Eigentum am Boden dort!
    Mein Zauberkleinod, die Schuppenhaut!
    Auf! Silberschwan, und bring sie mir!«
    Und ein silberner Schwan, welcher auf der Decke der Kutsche dagesessen hatte, als wär er nur von totem Metall, hob seine Flügel, schoss vom Wagen herunter, ergriff die Fischhaut mit seinem Schnabel und ließ sie seiner Gebieterin durch die Öffnung des Wagens auf den Schoß sinken. Dann schwang er sich wieder auf die Kutschendecke, wurde starr und steif wie vorhin, und im Nu rollte der Wagen davon.
4.
    Elsbeth wusste nicht, wie ihr geschah. Staunen, Schreck und Trauer über den verlorenen Schatz, auf dessen Verkauf sie all ihre Hoffnung gesetzt, alles das bewegte sie so, dass sie gar nicht wusste, was sie nun tun solle. Sie setzte sich auf das Geländer der Brücke, legte den Kopf in die Hand, sann und sann und schlief endlich vor Müdigkeit ein.
    Als sie erwachte, war es schon spät am Abend und die Sonne am Untergehen. Sie rieb sich die Augen, da sah sie, wie neben ihr auf demselben Geländer ein klein winzig Männlein saß, grau und runzlig, aber freundlich und manierlich. Das Männlein ließ sich bald mit ihr in ein Gespräch ein, erzählte ihr allerlei von dem Feste in der Hauptstadt und fragte sie zuletzt, ob sie denn nicht auch sich dem Prinzen wolle vorstellen lassen. Das kam dem armen Fischerkind doch gar zu komisch vor, sie lachte laut auf und sprach im Scherz: »Warum denn nicht? Hab ich doch ein Gesicht braun wie die Seeflunder und bin ich doch so reich wie die Kirchenmaus; da kannst du mich immer schon hinführen!« – Das Männchen lächelte und strich sich mit schlauem Blick seinen langen weißen Bart; dann erzählte es, es wäre ein studierter Doktor und könne Blinde sehend machen. Elsbeth dachte an ihren armen Vater und fragte hoch erfreut, was es kosten solle, wenn das Männlein ihm sein Augenlicht wiedergäbe? – »Hm!«, sprach jener und schüttelte den Kopf, »du sagst, du bist arm wie eine Kirchenmaus. Aber die Kirchenmaus hat kein so schwarzes Haar und keine so weißen Zähne wie du, das kann ich beides gebrauchen. Gibst du mir deine drei vorderen Zähne und lässt dir von mir

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