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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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sterben.«
    Da kam in der Not dem Schneider ein pfiffiger Einfall, und er rief laut: »Seht Ihr, dort kommen die Jäger!« Und wie der Wolf sich erschrocken umwandte, saß mit einem Male der Schneider auf seinem Rücken und hielt ihm die Augen zu. Da lief der Wolf, wie er in seinem Leben noch nicht gelaufen war, dass er jeden Augenblick dachte, nun müsste der verwünschte Reiter doch herabfallen. Der saß aber ganz wohlgemut fest, stieß ihm die Stiefelhacken in die Seiten, als ob Sporen daran wären, und sagte dazu: »Hotte hü, mein Pferdchen.« Und weil der Wolf nicht sehen konnte, wohin er lief, so lenkte ihn der Schneider grade auf das Schloss zu bis vor eine offene Stalltür, stellte sich dort auf seine Beine und ließ den Wolf dazwischen hindurchschießen, mitten in den Stall hinein, worauf er die Stalltür zuriegelte. »Warte, Gevatter«, sagte er dann, »jetzt will ich dir einen Strick kaufen«, ging zum Könige und meldete, dass er den Wolf gefangen habe. Der König war hocherfreut, dass der Schneider solch ein Pfiffikus sei, und sagte auch zu, dass die Verlobung mit der Königstochter in Richtigkeit gebracht werden sollte. Der Wolf aber ward wirklich gehangen, und sein Fell, welches der Schneider zur Hochzeit als Fußteppich bekam, hat sich bis auf unsre Tage erhalten und liegt jetzt gerade unter dem Tische dessen, der dies Märlein geschrieben.

Goldtöchterchen
    Vor dem Tor, gleich an der Wiese, stand ein Haus, darin wohnten zwei Leute, die hatten nur ein einziges Kind, ein ganz kleines Mädchen. Das nannten sie Goldtöchterchen. Es war ein liebes, munteres kleines Ding, flink wie ein Wiesel. Eines Morgens geht die Mutter früh in die Küche, Milch zu holen; da steigt das Ding aus dem Bett und stellt sich im Hemdchen in die Haustüre. Nun war ein wunderherrlicher Sommermorgen, und wie es so in der Haustüre steht, denkt es: Vielleicht regnet’s morgen; da ist’s besser, du gehst heute spazieren. Wie’s so denkt, geht’s auch schon; läuft hinters Haus auf die Wiese und von der Wiese bis an den Busch. Wie’s an den Busch kommt, wackeln die Haselbüsche ganz ernsthaft mit den Zweigen und rufen:
    Â»Nacktfrosch im Hemde,
    Was willst du in der Fremde?
    Hast kein’ Schuh und hast kein’ Hos,
    Hast ein einzig Strümpfel bloß;
    Wirst du noch den Strumpf verlier’n,
    Musst du dir ein Bein erfrier’n.
    Geh nur wieder heime;
    Mach dich auf die Beine!«
    Aber es hört nicht, sondern läuft in den Busch, und wie es durch den Busch ist, kommt es an den Teich. Da steht die Ente am Ufer mit einer vollen Mandel Junger, alle goldgelb wie die Eidotter, und fängt entsetzlich an zu schnattern; dann läuft sie Goldtöchterchen entgegen, sperrt den Schnabel auf und tut, als wenn sie es fressen wollte. Aber Goldtöchterchen fürchtet sich nicht, geht gerade darauf los und sagt:
    Â»Ente, du Schnatterlieschen,
    Halt doch den Schnabel und schweig ein bisschen!«
    Â»Ach«, sagt die Ente, »du bist’s, Goldtöchterchen! Ich hatte dich gar nicht erkannt; nimm’s nur nicht übel! Nein, du tust uns nichts. Wie geht es dir denn? Wie geht es denn deinem Herrn Vater und deiner Frau Mutter? Das ist ja recht schön, dass du uns einmal besuchst. Das ist ja eine große Ehre für uns. Da bist du wohl recht früh aufgestanden? Also, du willst dir wohl auch einmal unsern Teich besehen? Eine recht schöne Gegend! Nicht wahr?«
    Wie sie ausgeschnattert hat, fragt Goldtöchterchen: »Sag einmal, Ente, wo hast du denn die vielen kleinen Kanarienvögel her?«
    Â»Kanarienvögel?«, wiederholt die Ente, »ich bitte dich, es sind ja bloß meine Jungen.«
    Â»Aber sie singen ja so fein und haben keine Federn, sondern bloß Haare! Was bekommen denn deine kleinen Kanarienvögel zu essen?«
    Â»Die trinken klares Wasser und essen feinen Sand.«
    Â»Davon können sie ja aber unmöglich wachsen.«
    Â»Doch, doch«, sagt die Ente, »der liebe Gott segnet’s ihnen; und dann ist auch zuweilen im Sand ein Würzelchen und im Wasser ein Wurm oder eine Schnecke.«
    Â»Habt ihr denn keine Brücke?«, fragt dann weiter Goldtöchterchen.
    Â»Nein«, sagt die Ente, »eine Brücke haben wir nun allerdings leider nicht. Wenn du aber über den Teich willst, will ich dich gern hinüberfahren.«
    Darauf geht die Ente ins Wasser, bricht ein

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