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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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gewöhnliche Leute.
    Wie er nun so eines Tages wieder auf dem alten Mühlsteine saß und bei sich bedachte, dass er doch auf der ganzen Welt mutterseelenallein sei, schlief er ein. Da träumte ihm, es hinge vom Himmel eine goldene Schaukel an zwei silbernen Seilen herab. Jedes Seil war an einem Sterne befestigt; auf der Schaukel aber saß eine reizende Prinzessin und schaukelte sich so hoch, dass sie vom Himmel zur Erde herab und von der Erde wieder zum Himmel hinaufflog. Jedes Mal, wenn die Schaukel bis an die Erde kam, klatschte die Prinzessin vor Freude in ihre Hände und warf ihm eine Rose zu. Aber plötzlich rissen die Seile, und die Schaukel mit der Prinzessin flog weit in den Himmel hinein, immer weiter, immer weiter, bis er sie zuletzt nicht mehr sehen konnte.
    Da wachte er auf, und als er sich umsah, lag neben ihm auf dem Mühlsteine ein großer Strauß von Rosen.
    Am nächsten Tag schlief er wieder ein und träumte dasselbe. Beim Erwachen lagen richtig die Rosen wieder da.
    So ging es die ganze Woche hindurch. Da sagte sich Traumjörge, dass doch irgendetwas Wahres an dem Traum sein müsse, weil er ihn immer wieder träumte. Er schloss sein Haus zu und machte sich auf, die Prinzessin zu suchen.
    Nachdem er viele Tage gegangen war, erblickte er von Weitem ein Land, wo die Wolken bis auf die Erde hingen. Er wanderte rüstig darauf zu, kam aber in einen großen Wald. Plötzlich hörte er hier ein ängstliches Stöhnen und Wimmern, und als er auf die Stelle zugegangen war, von welcher das Gestöhn und Gewimmer herkam, sah er einen ehrwürdigen Greis mit silbergrauem Barte auf der Erde liegen. Zwei widerlich hässliche, splitternackte Kerle knieten auf ihm und suchten ihn zu erwürgen. Da blickte er um sich, ob er nicht irgendeine Waffe fände, mit der er den beiden Kerlen zu Leibe gehen könnte, und da er nichts fand, riss er in seiner Todesangst einen großen Baumast ab. Kaum jedoch hatte er diesen erfasst, als er sich in seinen Händen in eine mächtige Hellebarde verwandelte. Damit stürmte er auf die beiden Ungeheuer los und rannte sie ihnen durch den Leib, sodass sie mit Geheul den Alten losließen und fortsprangen.
    Darauf hob er den ehrwürdigen Greis auf, tröstete ihn und fragte, warum ihn die beiden nackten Kerle hätten erwürgen wollen.
    Da erzählte jener, er sei der König der Träume und aus Versehen etwas vom Wege ab in das Reich seines größten Feindes, des Königs der Wirklichkeit, gekommen. Sobald dies der König der Wirklichkeit bemerkt habe, hätte er ihm durch zwei seiner Diener auflauern lassen, damit sie ihm den Garaus machten.
    Â»Hattest du denn dem König der Wirklichkeit etwas zuleide getan?«, fragte Traumjörge.
    Â»Behüte Gott!«, versicherte jener. »Er wird aber überhaupt sehr leicht gegen andere ausfällig. Dies liegt in seinem Charakter – und mich besonders hasst er wie die Sünde!«
    Â»Aber die Kerle, die er geschickt hatte, dich zu erwürgen, waren ja ganz nackt!«
    Â»Jawohl«, sagte der König, »splitterfasernackt. Das ist so Mode im Lande der Wirklichkeit. Alle Leute gehen dort nackt, selbst der König, und schämen sich nicht einmal. Es ist ein abscheuliches Volk! – Weil du mir nun aber das Leben gerettet hast, will ich mich dankbar gegen dich erweisen und dir mein Land zeigen. Es ist wohl das herrlichste der Welt, und die Träume sind meine Untertanen!«
    Darauf ging der König der Träume voran, und Jörg folgte ihm. Als sie an die Stelle kamen, wo die Wolken auf die Erde hingen, wies der König auf eine Falltüre, welche so versteckt im Busch lag, dass sie gar nicht zu finden war, wenn man es nicht wusste. Er hob sie auf und führte seinen Begleiter fünfhundert Schritte hinab in eine hell erleuchtete Grotte, welche sich meilenweit in wunderbarer Pracht hinzog. Es war unsäglich schön! Da waren Schlösser auf Inseln mitten in großen Seen, und die Inseln schwammen umher wie Schiffe. Wenn man in ein solches Schloss hineingehen wollte, brauchte man sich nur an das Ufer zu stellen und zu rufen:
    Â»Schlösslein, Schlösslein, schwimm heran,
    Dass ich in dich reingehn kann!«,
    dann kam es von selbst an das Ufer. Weiter waren noch andere Schlösser da auf den Wolken; die flogen langsam in der Luft. Sprach man aber:
    Â»Steig herab, mein Luftschlösslein,
    Dass ich kann in dich hinein!«,
    so

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