Der große deutsche Märchenschatz
senkten sie sich langsam nieder. AuÃerdem waren noch da Gärten mit Blumen, die am Tag dufteten und in der Nacht leuchteten, schillernde Vögel, die Märchen erzählten, und eine Menge anderer ganz wunderbarer Sachen. Traumjörge konnte mit Staunen und Bewundern gar nicht fertig werden.
»Nun will ich dir auch noch meine Untertanen, die Träume, zeigen«, sagte der König. »Ich habe deren drei Sorten. Gute Träume für die guten Menschen, böse Träume für die bösen und auÃerdem Traumkobolde. Mit den letzteren mache ich mir zuweilen einen SpaÃ, denn ein König muss doch auch zuweilen seinen Spaà haben.«
Zuerst führte er ihn also in eins der Schlösser, welches eine so verzwickte Bauart hatte, dass es förmlich komisch aussah: »Hier wohnen die Traumkobolde«, sprach er, »ein kleines, übermütiges, schabernackiges Volk. Tut niemandem was, aber neckt gern.«
»Komm einmal her, Kleiner«, rief er darauf einem der Kobolde zu, »und sei einmal einen einzigen Augenblick ernsthaft.« Hernach fuhr er fort und sagte zu Traumjörge: »WeiÃt du, was
der
Schelm tut, wenn ich ihm einmal ausnahmsweise erlaube, auf die Erde hinaufzusteigen? Er läuft ins nächste Haus, holt den ersten besten Menschen, der gerade wunderschön schläft, aus den Federn, trägt ihn auf den Kirchturm und wirft ihn kopfüber herunter. Dann springt er eiligst die Turmtreppe hinab, sodass er unten eher ankommt, fängt ihn auf, trägt ihn wieder nach Haus und schmeiÃt ihn so ins Bett, dass es kracht und er davon aufwacht. Dann reibt er sich den Schlaf aus den Augen, sieht sich ganz verwundert um und spricht: âºEi du lieber Gott, war mirâs doch gerade, als wenn ich vom Kirchturm herabfiele. Es ist nur gut, dass ich bloà geträumt habe.â¹Â«
»Das ist der?«, rief Traumjörge. »Siehst du, der ist auch schon einmal bei mir gewesen! Wenn er aber wiederkommt und ich erwische ihn, sollâs ihm schlecht ergehen.« Kaum hatte er dies noch gesagt, so sprang ein andrer Traumkobold unter dem Tische hervor. Der sah aus wie ein kleiner Hund, denn er hatte ein ganz zottiges Wämslein an, und die Zunge streckte er auch heraus.
»Der ist auch nicht viel besser«, meinte der Traumkönig. »Er bellt wie ein Hund, und dabei hat er Kräfte wie ein Riese. Wenn dann die Leute im Traume Angst bekommen, hält er sie an Händen und Beinen fest, dass sie nicht fortkönnen.«
»Den kenne ich auch«, fiel Traumjörge ein. »Wenn man fortwill, ist es einem, als wenn man starr und steif wie ein Stück Holz wäre. Wenn man den Arm aufheben will, geht es nicht, und wenn man die Beine rühren will, geht es auch nicht. Manchmal istâs aber kein Hund, sondern ein Bär oder ein Räuber oder sonst etwas Schlimmes!«
»Ich werde ihnen nie wieder erlauben, dich zu besuchen«, beruhigte ihn der König. »Nun komm einmal zu den bösen Träumen, aber fürchte dich nicht, sie werden dir keinen Schaden zufügen; sie sind nur für die bösen Menschen.« Damit traten sie in einen ungeheuren Raum ein, der von einer hohen Mauer umgeben und mittels einer gewaltigen eisernen Türe verschlossen war. Hier wimmelte es von den gräulichsten Gestalten und entsetzlichsten Ungeheuern. Manche sahen wie Menschen, halb wie Tiere, manche ganz wie Tiere aus. Erschrocken wich Traumjörge zurück bis an die eiserne Türe. Doch der König redete ihm freundlich zu und sprach: »Willst du dir nicht genauer besehen, was böse Menschen träumen müssen?« Und er winkte einem Traume, der zunächst stand; das war ein scheuÃlicher Riese, der hatte unter jedem Arme ein Mühlrad.
»Erzähle, was du heut Nacht tun wirst!«, herrschte der König ihn an.
Da zog das Ungeheuer den Kopf in die Schultern und den Mund bis zu den Ohren, wackelte mit dem Rücken wie einer, der sich so recht freut, und sagte grinsend: »Ich gehe zum reichen Mann, der seinen Vater hat hungern lassen. Als der alte Mann sich eines Tages auf die steinerne Treppe vor dem Hause seines Sohnes gesetzt hatte und um Brot bat, kam der Sohn und sagte zum Gesinde: âºJagt mir einmal den Hampelmann fort!â¹ Da gehe ich nun nachts zu ihm und ziehe ihn zwischen den zwei Mühlrädern durch, bis alle Knochen hübsch kurz und klein gebrochen sind. Ist er dann so recht schmeidig und zapplig geworden, so nehme ich
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