Der große deutsche Märchenschatz
König, der das schnellste Pferd hat, das steht im Stall bei den andern und du kannst es daran erkennen, dass es einen hölzernen Sattel auf dem Rücken hat, da die andern goldene und silberne Sättel haben. Lass ihm aber den hölzernen Sattel auf und mache keine dummen Streiche mit den anderen schönen Sätteln, sonst wirst du sehen, was es gibt und dann helfe ich dir nicht mehr.« Ferdinand versprach alles, was der Bär haben wollte, ging in die Stadt und suchte am folgenden Morgen Dienst bei dem König. Der hatte aber gerade einen Stalljungen nötig und der Prinz lieà sich den Dienst schon gefallen. Er war auch so fleiÃig und fegte den Stall so schön rein, dass ihn der König bald darauf zum Stallmeister machte, und da war er weit genug. Eines Abends, wo der König gerade ein groÃes Gastmahl hielt, ging er in den Stall und band das schnellste Pferd los. Als er aber den hölzernen Sattel auf dem schönen Tier sah, dachte er wieder, das sei doch Jammer und Schande, der König habe noch goldene Sättel genug und zudem könne das Pferd ja nicht sprechen; und er band den hölzernen Sattel ab und schnallte einen goldenen auf. Kaum war er aber mit dem Pferd vor der Tür, da machte es mannshohe Sprünge und schrie: »Diebe! Diebe! Der Stallmeister will mich stehlen!« Und da lief gleich das ganze Schloss zusammen â der Prinz wurde gepackt und in den Turm gesperrt. Das hatte er nun davon. Er fing aber sein altes Spiel wieder an und weinte und rief: »Ach lieber Bär, hätte ich doch gefolgt!«, aber der Bär hatte sich Baumwolle in die Ohren gestopft und wollte nichts hören. Als Ferdinand nun die ganze Nacht und den ganzen Tag hindurch lamentiert hatte, da stand der Bär wieder vor ihm und sagte unwirsch: »Habe ich es dir nicht gesagt? Aber wer nicht hören will, der muss fühlen, und wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen; morgen kannst du Hochzeit halten mit des Seilers Tochter!« Da fiel Ferdinand dem Bären um den Hals und sprach: »Ach du goldiger Bär, ich bitte dich, sei mir wieder gut und verzeih mir nur diesmal noch, ich will ja gern alles tun, was du haben willst.« â »Das plaudere du den Gänsen vor, aber mir nicht«, sprach der Bär und wollte gehen, aber der Prinz weinte so jämmerlich, dass es der gute Bär nicht übers Herz bringen konnte und sagte: »Nun, ich willâs denn noch einmal versuchen, aber ich sage dir, es ist das allerletzte Mal. Wenn du vor Gericht kommst, dann sage dem König, wenn er dir das schnellste Pferd gebe, dann wolltest du ihm den kostbarsten Stein bringen.« Da ward Ferdinand wieder froh und dankte dem guten Bären aus Herzensgrund. Als er am folgenden Tag vor Gericht kam, tat er, wie der Bär ihn geheiÃen, und es ging gut, denn der König hätte schon lange gern den kostbarsten Stein gehabt und lieà ihn darum gerne los. Vor dem Schloss aber erwartete der Bär ihn, der Prinz setzte sich auf seinen Rücken und weg war er.
Nachdem sie sich zwölf Stunden lang Bewegung gemacht hatten, hielt der Bär vor einem hohen Berge an und sprach: »Der Berg wird sich gleich öffnen und eine Stunde lang offen bleiben. Geh dann hinein und habe keine Furcht, wie viel Löwen und Tiger auch auf dich zustürzen mögen, denn sie können dir nichts anhaben. Am Ende der Höhle, in die du kommst, findest du den kostbarsten Stein auf einem kleinen hölzernen Stühlchen; nimm ihn schnell, komme gleich wieder und halte dich nur ja nicht bei den Haufen anderer Edelsteine auf, denn sonst ist es um dich geschehen und ich kann dir nicht mehr helfen, wenn du auch nur eine halbe Minute länger als eine Stunde ausbleibst.« Ferdinand gelobte, dem Bären in allen Stücken zu folgen. Einige Augenblicke später aber öffnete sich die Höhle und er ging hinein. Da kam zuerst ein Löwe auf ihn zugestürzt, aber er lieà sich das nicht anfechten und der Löwe lief an ihm vorbei. Dann kamen Tiger, Wölfe, Bären und allerlei Ungeheuer, aber er ging seines Wegs weiter bis an das hölzerne Stühlchen, da nahm er den kostbarsten Stein und steckte ihn schnell in die Tasche. Jetzt wollte er eilends wieder zurück, aber da lagen überall auf seinem Wege so viele Edelsteine, dass er der Versuchung nicht widerstehen konnte und sich immer wieder bückte und alle Taschen vollstopfte. So war er bis fast an den Eingang der
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