Der große deutsche Märchenschatz
ihn mit Tränen von sich.
Aber der jüngste Königssohn zog aus in die Welt und ritt weit umher, und ihm war es wohl im Freien, und er sah viel Land und Leute und erwies sich überall, wo er herbergte, als ein braver Rittersmann. Und kam so weit fort in ferne, ferne Länder. Es geschah aber eines Abends, da kam er in einen dichten Wald und fand keinen Ausgang. Wie er so ritt, siehe, da standen zwei Männer am Wege. Und wie er sie fragtâ, wo der Weg hinginge, aus dem Walde, da erkannte er seine älteren Brüder und freute sich über sie. Sie aber fingen an zu schelten und sagten: »Können wir, die wir klüger sind, kaum durch die Welt uns schlagen, wie willst du durchkommen, der du einfältig bist?« Denn die ältern Königssöhne waren klüger für die Welt, dem jüngeren aber fehlte die Weltklugheit.
Jetzt ward es Abend. Nur selten fiel am Abhang des Bergwaldes ein Strahl der scheidenden Sonne durch die Fichtenstämme. Da berieten die drei Königssöhne, welchen Weg sie einschlagen wollten, dass sie eine Herberge fänden. Und sie wendeten sich nach der Höhe des Berges, ob sie von oben nicht ein Haus oder nur ein freies Feld erblickten. Da kamen sie vorbei an einem Ameisenhaufen. Den wollten die ältesten Brüder zerwühlen, dass sie sehen könnten, wie die Tierlein ihre Eier herumschleppten. Aber der jüngste Bruder stieg von seinem Pferd und wehrte ihnen, dass sieâs nicht taten. Und als sie vorbeigingen, da redete ihn der Ameisenkönig an und sprach: »Wer du auch sein magst, Fremdling, ich danke dir, dass du deinen Reisegefährten wehrtest und so groÃes Unglück von uns armen Tierlein abwendetest. Wenn ich dir nützen kann, so komm, und du sollst sehen, dass ich dir alles mit Freuden tue.«
Und sie gingen weiter und kamen an einen See, der war bedeckt mit einem ganzen Schwarm Enten. Da wollten die ältesten Brüder drüber her und sich einige erlegen, dass sie ein Abendessen hätten. Da wehrte aber der jüngste Bruder und sagte: »Lasst die armen Tiere! Wir werden doch diesen Abend etwas zu essen haben.« Und sie lieÃen die Enten in Ruhe. Als sie aber vorbeigingen, schwamm der König der Enten herzu und dankte dem jüngsten Königssohn und sagte: »Wenn ich dir in etwas dienen kann, so sollâs mit Freuden geschehen.«
Darauf gingen sie weiter und kamen an einen Eichbaum, darin die Bienen ihre Zellen hatten. Und es war so viel Honig drinnen, dass er am Stamm heruntertroff. Als die zwei ältesten Königssöhne das sahen, wollten sie Feuer in die Baumhöhle machen, dass die Bienen umkämen und dass sie den Honig fassen könnten. Da wehrte aber der jüngste wieder ab und sagte: »Lasst die armen Tierlein! Bringt sie nicht um des bisschen Honigs willen um!« Und sie wollten weiterziehen. Da flog die Bienenkönigin heraus, dankte ihm und sprach: »Kann ich dir mit etwas dienen, so befiehl nur! Ich willâs mit Freuden tun.«
So gingen sie weiter und kamen in ein altes Schloss und wollten da herbergen. Das Schloss war aber ganz wundersam gebaut, und nichts Lebendiges war drin. Sie gingen ein durch das Tor, und der jüngste führte sein Pferd in den Stall, da standen lauter steinerne Pferde. Sie gingen die Stufen hinauf. Da kamen sie in einen Vorplatz, der war mit Marmor geplattet, und hohe Säulen bildeten die drei Eingänge. Den einen bildeten silberne Säulen, den andern bildeten goldne Säulen, und den dritten Eingang bildeten gar diamantene Säulen. Und sie gingen ein durch den ersten Eingang und kamen in eine Reihe Zimmer, darin alles, Wände und Gerätschaften, von getriebenem Silber war. Aber sie gingen durch alle Zimmer und fanden am Ende eine Türe, die verschlossen war durch drei Schlösser. Aber durch ein Lädlein konnte man hineinsehen in das Gemach. Und drinnen am Tische saà ein altes, eisgraues Männlein, dem der Bart bis auf die FüÃe ging. Diesem riefen sie zu, aber es hörte nicht. Sie riefen ihn zum zweiten Mal, aber es hörte nicht. Und sie riefen ihn zum dritten Mal. Da stand es auf und kam heraus und empfing sie freundlich und bewirtete sie den Abend aufs Allerbeste und wies ihnen weiche Betten mit seidenen Vorhängen zu Schlafstätten an. Aber es sprach kein Wort und antwortete auf keine ihrer Fragen. Doch die drei Königssöhne hatten sich s wohl behagen lassen, dass sie in eine so gute Herberge gekommen
Weitere Kostenlose Bücher