Der große deutsche Märchenschatz
nicht begreifen; er ging getrost wieder in den Wald zurück und nahm sich nochmals vor, die Hütte seines Vaters zu suchen.
Er lief Tag und Nacht von Baum zu Baum, von Fels zu Fels. Am dritten Tag endlich wurde der Wald hell und immer heller, und da kam Goldener hinaus und an das blaue Meer, das lag in einer unermesslichen Weite vor ihm. Die Sonne spiegelte sich eben in der kristallhellen Fläche, da war es wie flieÃendes Gold, darauf schwammen schön geschmückte Schiffe mit langen, fliegenden Wimpeln.
Eine zierliche Fischerbarke stand am Ufer, in die trat Goldener und sah mit Erstaunen in die Helle hinaus.
»Ein solcher Bursch ist uns gerade vonnöten«, sprachen die Fischer, und husch! stieÃen sie vom Lande. Goldener lieà es sich gefallen, denn ihm deuchte bei den Wellen ein goldenes Leben, zumal er ganz die Hoffnung aufgegeben hatte, seines Vaters Hütte wiederzufinden.
Die Fischer warfen ihre Netze aus und fingen nichts. »Lass sehen, ob du glücklicher bist!«, sprach ein alter Fischer mit silbernen Haaren zu Goldener. Mit ungeschickten Händen senkte Goldener das Netz in die Tiefe, zog und fischte eine Krone von hellem Golde.
»Triumph!«, rief der alte Fischer und fiel Goldener zu FüÃen, »ich begrüÃe dich als unsern König! Vor hundert Jahren versenkte der alte König, welcher keinen Erben hatte, sterbend seine Krone im Meer, und so lange, bis irgendeinen Glücklichen das Schicksal bestimmt hätte, die Krone wieder aus der Tiefe zu ziehen, sollte der Thron ohne Nachfolger in Trauer gehüllt bleiben.«
»Heil unserem König!«, riefen die Fischer und setzten Goldener die Krone auf. Die Kunde von Goldener und der wiedergefundenen Königskrone erscholl bald von Schiff zu Schiff und über das Meer weit in das Land hinein. Da war die goldene Fläche bald mit bunten Nachen bedeckt und mit Schiffen, die mit Blumen und Laubwerk geziert waren; diese begrüÃten alle mit lautem Jubel das Schiff, auf welchem König Goldener stand. Er stand, die helle Krone auf dem Haupte, am Vorderteile des Schiffes und sah ruhig der Sonne zu, wie sie im Meere erlosch.
Die Gaben der Tiere
Ein König hatte einen einzigen Sohn, der wäre so gern auf Reisen gegangen, um die Welt zu sehen. Aber der Vater wollte es nicht zugeben und noch weniger die Stiefmutter. Endlich brachte er es doch mit Bitten dahin, dass ihn der König auf Reisen schickte, obgleich die Königin alles aufbot, es zu verhindern.
Wie nun sein Pferd gesattelt war, setzte er sich auf und nahm von den Eltern, die ihn an die Pforte des Schlosses begleitet hatten, noch einmal Abschied. Da trat die Stiefmutter vor ihn und reichte ihm ein Glas Wein. Das sollte er trinken, um sich für die Reise zu stärken. Er nahm es an und tat, als ob er tränke. Heimlich aber schüttete er es hinter sich aus, denn er traute der Stiefmutter wenig Gutes zu.
Ein paar Tropfen davon waren aber dem Pferde auf den Schwanz gefallen, und als er eine Viertelmeile in den Wald geritten war, stürzte das Pferd unter ihm zusammen und blieb für tot da liegen. Da musste er seine Reise zu Fuà fortsetzen, verirrte sich aber im Walde und kam nach kurzer Zeit wieder an das Pferd.
Da sah er Tiere bei dem Pferde, die wollten sich darein teilen und konnten unter sich nicht darüber einig werden. Es war ein Löwe, ein Hund, ein Vogel, eine Biene und eine Ameise. Er aber warnte sie und sagte: »Esst nicht von dem Tiere, es ist vergiftet!« Das wollten sie nicht glauben und baten ihn, die Teilung vorzunehmen.
Da sprach er: »Wenn ihr nicht des Todes sein wollt, so enthaltet ihr euch des Tieres. Besteht ihr aber darauf, dass ich die Teilung vornehmen soll, so gebe ich dem Löwen das dicke Fleisch, dem Hunde die Knochen, dem Vogel den Kopf, der Biene das Blut und der Ameise das Eingeweide. Wenn ihr damit zufrieden seid, so will ich die Teilung hiernach vornehmen. Ich will aber keine Schuld daran haben, wenn ihr es mit dem Leben entgeltet.«
Die Tiere lobten den Teilungsplan, lieÃen sich aber nicht warnen. Also zog er sein Schwert und nahm die Teilung vor, bat sie aber noch einmal, eh er seines Weges zog, nichts davon zu berühren.
Da sprach der Löwe: »Die Biene, die aus allen Blumen SüÃigkeiten saugt und das Gift darin lässt, soll zuerst kosten und Bescheid sagen, ob wir der Beute trauen dürfen.«
Die Biene schlürfte behutsam, flog aber sogleich auf und
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