Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
Vom Netzwerk:
herrlichen Lohn. Wenn einer von Adel das beste Wild erjagen würde, sollte er des Königs Tochter zur Frau erhalten, wenn ein Gemeiner, so sollte dieser mit Gold reichlich belohnt werden.
    Der Tag der Jagd brach an und auch unser Wirt war dabei, denn die Belohnung stach ihm zu sehr in die Augen. Den ganzen Tag wurde gejagt und geblasen und die Hunde bellten, dass es in den Wäldern einen Höllenlärm gab. Abends war die Jagd vollendet und den Preis erhielt ein Graf, der einen stolzen Hirsch mit goldenem Geweihe erjagt hatte. Der Wirt war aber mit seinem Tagewerk auch nicht unzufrieden, denn er hatte ein wildes Männlein, das ein goldenes Schwert trug, eingefangen und mit sich heimgebracht.
    Das Männlein war so lieb und nett, dass der Wirt einen Glaskasten über dasselbe machen ließ und ihn auf den Kasten stellte, und wenn jemand den Wirt besuchte, so musste er auch das wilde Männlein im Glaskasten sehen.
    Die Wirtsleute hatten auch ein Söhnlein. Das war ein munterer, feiner Knabe und das einzige Kind im Wirtshause. Das wilde Männlein gefiel ihm gar über die Maßen wohl und stundenlang stand er vor dem Kasten und konnte sich an dem kleinen Wichte und an dem funkelnden Schwerte nicht sattsehen. »Wenn ich nur auch so ein schönes goldenes Schwert hätte«, dachte sich immer der Knabe, denn laut zu sagen, wagte er es nicht seines geizigen Vaters wegen. Als er einmal allein in der Kammer war und das Männlein im Glaskasten gar lieb und freundlich tat, gewann der Knabe ein Herz und sagte: »O liebes Männlein! Schenke mir doch dein goldenes Schwert! Ich bitte dich gar schön.«
    Â»Gerne geb’ ich es dir«, antwortete das Männlein, »doch nur unter einer Bedingung. Du musst mich aus dem Kasten lassen und es niemandem sagen. Tust du das, so sollst du mein Schwert haben.«
    Der Knabe war mit dieser Antwort zufrieden und versprach dem Männlein, was es verlangte. Aber nun fragte es sich, wie er zum Schlüssel des Glaskastens gelangen könnte, denn die Mutter musste ihn wie einen Schatz bewahren und trug ihn immer bei sich. Der Knabe war gescheit und wusste bald Rat. Er ging zur Mutter und bat sie, ihm Läuse zu suchen. Die Mutter hatte heute am willigen Kinde die größte Freude, denn sonst wollte der Knabe sich diese Arbeit nie gefallen lassen. Die Mutter kämmte ihm nun das Haar aus und suchte und suchte, und während sie ihr ganzes Augenmerk auf die kleinen Tierlein gerichtet hatte, huschte der Knabe mit seiner Hand in die Rocktasche der Mutter und nahm ihr unbemerkt den Schlüssel heraus.
    Der Bursche war nun froher Dinge, lief in die Kammer, wo das kleine Männlein stand, und ließ es aus dem Kasten. Das Männlein hielt auch sein Wort, dankte seinem kleinen Befreier und schenkte ihm das goldene Schwert. Darauf sprang es zum Fenster hinaus und war in einem Nu in den Wald verschwunden.
    Der Wirtsknabe mit dem goldenen Schwert wusste nun vor Freude fast nicht, was er anfangen sollte, stellte sich in den gläsernen Kasten hinein und tat gerade so wie das Männchen. Da kam aber die Mutter dazu und die erschrak nicht wenig, als sie ihren Buben im Glaskasten und vom Männlein keine Spur mehr sah. Sie rief gleich den Vater herbei, und als dieser sah, was geschehen war, holte er sich birkene Ruten, nahm den Knaben aus dem Kasten und schlug ihn so, dass er keinem Menschen mehr glich. Den so übel zugerichteten Kleinen warf er dann über die Mauer in den Anger hinaus mit den Worten: »Nun packe dich und geh zu deinem wilden Mannl hinaus!«
    Der Knabe lag nun lange, lange im grünen Grase draußen, ohne zu sich zu kommen. Als er endlich die Augen aufschlug, stand das Männchen vor ihm, hielt ihn und nahm ihn zu sich. Es führte ihn in den kühlen Wald hinaus, gab ihm alles, was er brauchte, und zog ihn auf wie sein eigenes Kind. Der Knabe wuchs zusehends und ward immer schöner und stärker. Als er groß und stark genug war, um eine Lanze schwingen zu können, lehrte ihn das Männlein die Ritterspiele und der Bube hatte seine größte Freude daran und lernte, dass es eine Lust war. Als er nun ausgelernt hatte, gab ihm das Männlein ein neues, gar läppisches Kleid und ein Schwert und sagte zu ihm: »Du bist nun erwachsen und sollst auch die Welt sehen. Geh nun aus dem Walde und suche die Königsstadt. Hast du diese gefunden, so diene an dem Hofe des Königs. Wenn dich aber jemand fragt, wer du

Weitere Kostenlose Bücher