Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
Vom Netzwerk:
bleibt noch ein paar Tage hier bei mir, bis ich euch wieder zu eurer Mutter schicke.« Drauf schlug sie mit dem Rutchen auf die Erde, und gleich war der Bauer mit seinem Vieh auf dem Heimwege; der aber war nun gar mordsböse.
    Aber es dauerte gar nicht lange, da pfiff ihm ein Rechenpfennig vor der Nase vorbei, und ehe er sich’s versah, wurde aus dem Rechenpfennig ein Prügel, und der Prügel drosch ihm so lange auf dem Buckel herum, bis er entzweiging. Es war aber niemand zu sehen, der den Prügel in der Hand hatte; es kam halt von der Liss’ her. Und die andern Rechenpfennige wurden auch zu Prügeln und droschen grad so auf ihm herum, bis sie alle entzwei waren. Einmal griff er in die Tasche und warf eine ganze Handvoll hinaus, aber da wurden ebenso viel Prügel und Stecken draus und schlugen alle auf einmal auf ihn ein. Da schrie er, als wenn er am Spieße stäke, aber er starb nicht davon, er konnte alle Prügel und Hiebe aushalten, dass er sie ja recht fühlen sollte; so war’s schon eingerichtet von der Wasserlisse. Die Leute sahen das alles, hörten ihn schreien und liefen zu ihm hin. Aber wer nahe zu ihm herankam, der kriegte tüchtig was ab, und das Zerwalken hörte nicht eher auf, bis auch kein einziger Rechenpfennig mehr in seiner Tasche war und bis auch jeder von den tausend Stöcken – so viel mögen’s wohl gewesen sein – in lauter kleine Stücke zerschlagen war. Und als er nach Hause kam, war das Vieh schon lange in den Ställen angebunden.
    Die Nachricht davon, wie es dem Bauern ergangen, war schon lange vorher bei seinem Weibe angekommen. Sie lief ihm ein paar Ackerstücke entgegen und schalt und schandierte mächtig über ihn und sagte, das wäre nun die Strafe dafür, dass er die armen unschuldigen Mädchen gar so schindermäßig schlecht behandelt hätte, und so eine himmelschreiende Sünde könne er bis zum Jüngsten Gericht nicht verbüßen, und er habe sie selbst und seine eigenen Kinder dazu unglücklich gemacht. Sie hätt’s ihm ja immer gesagt, er hätte ihr aber nicht folgen wollen; nun brächte ihn die Gier nach den elenden Dukaten ins Unglück; er wäre ein Rabenvater – und noch viel andere solche Reden schüttete sie über ihn aus, sodass er wohl hätte zur Erkenntnis kommen können. Aber es kam noch keine Reue in sein böses Herz; er dachte noch immer: Auf ein paar Finger und Zehen soll mir’s nicht ankommen; wenn die auch fehlen, deswegen geht’s doch, ein paar werde ich mir schon wiederverschaffen. Ich muss halt eine ganze Menge Dukaten opfern, das hilft schon nichts; und der Buckel, und wo’s sonst noch blau ist (der ganze Kerl war blitzblau), das wird wohl in vier, fünf Wochen nicht mehr schmerzen. Wenn ich andere Mädchen zum Hüten habe, werde ich wohl ein gut Teil klüger sein. Fürs erste muss ich mir wieder ein paar Fingerglieder verschaffen, die brauche ich zu notwendig, so dachte er. Und der Satan hätte am Ende seine eigenen Kinder nicht geschont, wenn ihn unser Herrgott nicht zuvor gestraft hätte.
    Wie er nun weiter nachsann, wie er noch ein paar Finger zu den zweien an jeder Hand kriegen könnte, da wusste er nicht mehr, wie viel Dukaten die Kinder für jedes Glied hereingebracht hatten, und er wusste auch schon gar nicht mehr, welche es grade gewesen waren. Leicht konnte er nun zu viel oder zu wenig ins Wasser werfen, und danach war’s dann bös. Das überlegte er aber in seiner Hast nicht. Mit schwerem Herzen überwand er sich und nahm so viel Geld aus dem Beikästchen heraus, als wie er dachte, dass die Mädchen für die beiden kleinen Finger hereingebracht hätten, und warf sie ins Fließwasser. Er sah die Hände nun an, und das Herz lachte ihm im Leibe, denn die Finger fingen an zu wachsen, und er lief, was das Zeug hielt, nach Hause zu. Aber es war die rechte Zahl Dukaten nicht, und es waren auch nicht die, welche er gerade für die Finger gekriegt hatte. Als er wieder zu Hause war, hörten deshalb die Finger wieder auf zu wachsen und fingen an zu bluten, und aus jedem Tropfen Blut wurde ein ganzer Zuber voll Wasser, dass die Stube bald schwamm und das Wasser zu Türen und Fenstern hinauslief, und dazu ging es immer im Kreis herum, als wenn’s kochte, und zog alles, was in der Stube war, Tisch, Schemel, Spinnräder, Bett, Wiege, Ofenbank, Bügelsäge, Lade, Eimer, halt alles, mit

Weitere Kostenlose Bücher