Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
Vom Netzwerk:
um Geld. Wer aber seinen Lebenslauf erzähle, werde gut aufgenommen und reichlich mit Speise und Trank versehen! Da sprachen eine Menge Pilger ein, und jeder erzählte für die gute Bewirtung seine Lebensgeschichte.
    Als der Junge aus dem Schlosse hinaus war, eilte er zu seinen Brüdern und zu seiner Mutter in den Wald. Sie schliefen aber noch immerfort, und er wachte, bis der Tag anbrach. Jetzt weckte er sie, doch kam es ihnen noch immer zu frühe vor. »Ihr habt über die Zeit geschlafen«, sprach der Junge, »ich habe mir das Leben ausgewacht.« – »Schweig du, Dummian, was weißt du, wie es an der Zeit ist.«
    Nun standen sie endlich auf und gingen mit ihrer Mutter weiter. Nach mancherlei Gefahren gelangten sie zur heiligen Waldkapelle im Morgenlande, verrichteten da ihr Gebet und kehrten dann wieder um und zogen heimwärts. Auf der Fahrt hatte der Junge mehrmals erzählt, was er in der Nacht, wie sie geschlafen, getan habe. Allein seine Mutter und seine Brüder lachten ihn aus, verspotteten ihn jedes Mal und sprachen: »Du Hasenfuß hast ja wie ein Held geträumt!« Endlich kamen sie auf dem Rückweg auch an das Wirtshaus, wo die Königstochter wohnte. Das Jahr ging bald zu Ende, und sie hatte vor Kurzem einen schönen Knaben geboren. Da lasen die Brüder die Inschrift am Schild, und den beiden älteren und der Mutter kam das sonderbar vor und sie sprachen: »Da gehen wir nicht hinein, wir haben ja Geld, was wollen wir unsere Lebensgeschichte erzählen.« Aber dem Jüngsten war das gerade recht, und er sagte, ja, in der Nähe sei kein anderes Wirtshaus und warum sollten sie denn ihren Lebenslauf nicht erzählen, man könne ja auch mitunter lügen!
    Weil sie sich nun nicht anders helfen konnten, so gingen sie hinein. Man gab ihnen zu essen und zu trinken, was und wie viel sie wünschten. Dann fingen sie an zu erzählen. Zuerst die Mutter, darauf die beiden ältern Brüder. Das war alles gut und der Königstochter recht. Als es an den Jüngsten kam, sprach er, er wisse nicht, ob er erzählen solle, denn er müsse mitunter auch lügen. Die Mutter und die Brüder sprachen gleich: »Nein, nein, Dummian darf nicht erzählen, der macht uns nur Schande mit seinen erträumten Lügen.« Aber die Königstochter bestand darauf, dass er erzählen solle. Er bat aber, man solle ihn nicht unterbrechen, bis er zu Ende erzählt habe.
    Nun fing er an, und bis in den Wald war seine Erzählung mit der seiner Mutter und seiner Brüder so ziemlich gleich. Allein nun kam die Geschichte mit dem Löwen, dem Bären und dem Wolf. Da riefen seine Mutter und seine Brüder: »Nicht lüge, nicht lüge!« – »Nun ich unterbrochen bin«, rief er unwillig, »erzähle ich nicht weiter. Ich sagte ja, ich würde mitunter auch lügen!« Die Königstochter bat ihn aber so sehr, dass er fortfuhr: »Meine Geschichte klingt freilich lügenhaft, aber hier sind dafür die Beweise.« Damit nahm er die Pfote von dem Löwen, Bären und Wolf heraus und zeigte sie. Der Königstochter klopfte das Herz, und sie dachte: »Aha, dieser ist es! Nur weiter, nur weiter!« Jetzt kam die Geschichte mit den drei Hünen, wie er sie am Feuer gesehen, wie sie den Ochsen am Spieß gebraten, wie er auf den höchsten Baum gestiegen und alle drei gefoppt habe, wie sie ihn heruntergeholt hätten und wie er dann mit ihnen vor das königliche Schloss gegangen sei, um ihnen die Königstochter stehlen zu helfen, wie er das weiße Hündlein auf der Mauer totgeschossen, dann durch das Loch, welches die Hünen in die Mauer gemacht, hindurchgekrochen, ins Schloss und in die Zimmer gekommen sei. Im ersten Zimmer habe der König, im zweiten die Königin, im dritten die Königstochter geschlafen, und ein Schwert sei an der Wand gehangen und eine Flasche, und unter dieser habe gestanden, wer dreimal daraus trinke, könne das Schwert schwingen und alles damit erhauen. Da habe er gleich an die plumpen und dummen Hünen gedacht, wie es doch jammerschade wäre, wenn sie die schöne Königstochter bekommen sollten.
    Er habe dann ein wenig neben der Königstochter geschlafen! »Er lügt, er lügt! Sagten wir’s doch, er würde uns Schande machen!«, riefen zugleich die Mutter und seine älteren Brüder. »Und es muss doch wahr sein!«, sprach die Königstochter voller Freude,

Weitere Kostenlose Bücher