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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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denn die Sonne war noch nicht aufgegangen. Er ließ nun seine Tochter vor sich rufen und sprach: »Du siehst, die drei Aufgaben sind gelöst. Du musst nun das Weib dessen werden, der sie gelöst hat!« – »Ja, mein Vater!«, sprach die Königstochter, »das will ich auch gerne tun, da Ihr’s gelobt habt!«
    Aber die Königin war untröstlich, wollte nicht und sprach: »Was, soll meine Tochter einen wilden Eber zum Gemahl haben und von den spitzen Borsten zerstochen werden?« – »Das lässt sich einmal nicht ändern!«, sprach der König, »ich habe mein Wort gegeben«, und ließ alsbald den Mann aus dem Gefängnis holen mit seinem Sohne, und die Hochzeit wurde gefeiert. Dann zog der Alte reich beschenkt nach Hause. Als aber am Abend die Königstochter in das Schlafzimmer ging, zitterte und zagte sie, und ihre Mutter weinte immerfort und nahm zuletzt Abschied, als sähe sie ihre Tochter zum letzten Mal lebendig. Nur einmal, als alles still war, warf das Eberschwein plötzlich sein raues Kleid ab, und es lag neben der Königstochter ein Jüngling von wunderschöner Gestalt und mit goldenen Haaren. Die Königstochter verlor alsbald alle Furcht aus ihrem Herzen, und etwas anderes zog darin ein. Da erzählte ihr der Jüngling, er sei ein verwünschter Königssohn, er werde aber bald ganz erlöst sein, nur solle sie Geduld haben und schweigen. Am frühen Morgen, als es kaum dämmerte, ertönte das Horn des Hirten. Der Jüngling sprang auf, warf sein Borstenkleid um und lief grunzend zur Herde.
    Die alte Königin hatte die Nacht nicht geschlafen. Sie kam ganz früh hin, um zu sehen, ob ihre Tochter noch lebe. Weil aber alle Türen offen standen, ging sie immer näher und näher, bis sie ihre Tochter allein im Bett erblickte. Sie schlief noch, allein ihr Gesicht war so verklärt, als habe sie einen lieblichen Traum. »Lebst du, mein liebes Kind?«, rief endlich die Königin. Da erwachte sie und war munter und fröhlich. Die Mutter hätte nun gerne gleich alles gewusst. Allein sie konnte der Tochter lange nichts entlocken. Zuletzt aber sagte diese doch ganz leise und im Vertrauen: »Mutter, mein Gemahl ist kein Eberschwein, sondern ein wunderschöner Königssohn mit goldenen Haaren. Das Borstenkleid legt er ab, wenn er ins Bett kommt.« Da war die Mutter aber ganz neugierig und passte in der kommenden Nacht und sah durch eine Mauerritze ins Schlafgemach. Da überzeugte sie sich, dass ihre Tochter Wahrheit gesprochen.
    Als das Horn des Hirten am frühen Morgen wieder ertönte und der Gemahl der Königstochter sein Borstenkleid umwarf und zur Herde eilte, da kam die Königin auch sogleich zu ihrer Tochter mit frohem Gesicht und sprach: »Warte nur, du sollst bald immerfort, auch am Tage, deinen Mann in seiner Schönheit sehen. Wenn er heute abends heimkehrt und im Bett schläft, lasse ich den Ofen heizen und das Borstenkleid hineinwerfen, dann muss er so bleiben, wie er ist!«
    Der Königstochter pochte das Herz vor Freude und Angst, sie wollte und wollte auch nicht und dachte an das Verbot ihres Gemahls. Allein ihre Mutter redete ihr so viel zu, dass sie sich beruhigte. Nun geschah es, dass in der Nacht, als der Gemahl der Königstochter schlief, das Borstenkleid ihm heimlich fortgenommen und in dem Ofen verbrannt wurde. Als am andern Morgen das Horn des Hirten wieder ertönte, sprang er auf, suchte sein Kleid, aber vergebens.
    Endlich merkte er, was vorgegangen war. Da ward er auf einmal ganz traurig und brach in die schmerzliche Klage aus: »Wehe, du hast nicht geschwiegen, meine Erlösung hast du vereitelt. Jetzt bin ich verwünscht weit weg ans Ende der Welt, und keine sterbliche Seele kann dahin gelangen, um mich zu erretten!« Damit ging er hinaus und war auf einmal verschwunden.
    Nun fing aber die Königstochter an zu jammern und zu klagen, dass es einen Stein hätte erbarmen müssen, und das ganze Schloss war bald auf, und ihre Mutter lief zu ihr hin und fragte: »Was fehlt dir denn, liebes Kind?« – »O Mutter, Mutter, wie habt Ihr so schlecht getan. Mein Liebster ist nun verwünscht ans Ende der Welt, und keine Seele kann ihn erretten!«
    Sie war auf keine Weise zu trösten, was man ihr immer sagen mochte. Nach einigen Tagen sprach sie: »Vater und Mutter, lebt wohl! Ich kann nicht länger hier bleiben. Ich muss hingehen ans Ende der Welt

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