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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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versetzte Dalby müde und dachte wieder an seine Flasche. »So ist es immer, ihr habt nie etwas. Ich weiß.«
    Die kleine Schlampe verstummte. Sie hörte auf, sich die Schenkel zu kratzen und saß jetzt aufrecht und gesittet auf ihrem Stuhl. »Machen wir doch ‘n kleines Geschäft miteinander«, sagte sie, »und Sie werden’s nicht bereuen.«
    »Kindchen, da ist nichts zu machen«, entgegnete Dalby, der kaum zuhörte. Für ihn waren solche Vorschläge alltäglich. Er bekam sie auf der Wache jeden Abend zu hören.
    Irgendein kleines Weibsstück wurde am Arm eines Polizisten hereingezerrt und beteuerte lauthals seine Unschuld.
    Dann kamen die üblichen Avancen, und wenn das nicht nützte, war bald von Bestechung die Rede.
    Es war immer das gleiche.
    »Lassen Sie mich laufen«, sagte das Mädchen, »dann kriegen Sie ‘ne Gold-Guinee.«
    Dalby seufzte und schüttelte den Kopf. Wenn dieses Geschöpf eine Gold-Guinee besaß, war allein das schon ein Beweis dafür, daß sie gefleddert hatte.
    »Also gut«, sagte das Mädchen. »Ich gebe Ihnen zehn.« Ihre Stimme hatte jetzt einen ängstlichen Unterton.
    »Zehn Guineen?« fragte Dalby. Das war immerhin etwas Neues. Zehn Guineen hatte ihm noch nie jemand angeboten. Das muß Falschgeld sein, dachte er.
    »Ich verspreche Ihnen zehn, wirklich.«
    Dalby zögerte. Er hielt sich selbst für einen Mann mit Grundsätzen, und er war ein altgedienter Hüter des Gesetzes. Er verdiente nur 15 Shilling in der Woche, und darauf mußte er manchmal noch warten. Zehn Guineen, das war viel Geld. Er verfiel in Nachdenken.
    »Also schön«, sagte das Mädchen, das sein Zögern falsch deutete. »Von mir aus hundert! Hundert Gold-Guineen!«
    Dalby lachte. Der Bann war gebrochen, und seine Tagträumerei war jäh beendet. Diese Person fing in ihrer Angst wohl an zu spinnen! Einhundert Guineen! Absurd.
    »Sie glauben mir nicht?«
    »Halt den Mund«, sagte er. Seine Gedanken wandten sich wieder seiner Taschenflasche zu.
    Das kleine Luder biß sich auf die Lippe, runzelte die Stirn und schwieg. Schließlich sagte sie: »Ich könnte Ihnen allerhand erzählen.«
    Dalby starrte an die Decke. Es war alles so trostlos und vorhersehbar. Wenn es mit der Bestechung nicht klappte, kam unweigerlich das Anerbieten, irgend jemanden zu verpfeifen. Es war immer wieder das gleiche. Aus purer Langeweile eher als Neugier fragte er: »Na, was gibt’s denn zu erzählen?«
    »Ich weiß was über ‘ne große Massematte. Ehrlich.«
    »Was kann das schon groß sein!«
    »Ich weiß, wer den Eisenbahnraub gedreht hat.«
    »Gott«, sagte Dalby, »bist du aber eine kluge kleine Kröte. Weißt du, das ist nämlich genau das, was wir alle wissen wollen – und wir kriegen es auch zu hören, von jedem gottver dammten Schneck, von jedem Leidengänger und jedem Schauten, der uns über den Weg läuft. Jeder miese kleine Gannew behauptet, die Geschichte zu kennen. Ich habe das schon hundertmal gehört, und zwar mit genau den Ohren, die du hier siehst.« Er schenkte ihr ein dünnes Lächeln.
    Dalby empfand so etwas wie Mitleid mit dem Mädchen. Ein hoffnungsloser Fall, dachte er. Ein Mädchen, das Betrunkene fledderte, war schon ziemlich heruntergekommen. Und die bot einem hundert Guineen an! Und über den Eisenbahnraub hatte ihm schon lange keiner mehr etwas Neues erzählen können. Das war ein alter Hut, niemand interessierte sich mehr dafür. Inzwischen gab es schon ein halbes Dutzend neuer Verbrechen, über die er gern Näheres gehört hätte.
    »Es ist wirklich kein fauler Zauber«, sagte das Mädchen.
    »Ich kenne den Schränker, der das Ding gedreht hat, und ich kann Ihnen auch sagen, wo Sie ihn finden.«
    »Ja, ja, ja«, sagte Dalby.
    »Ich schwöre«, protestierte das Mädchen. Sie wirkte jetzt noch verzweifelter als zuvor. »Ich schwöre.«
    »Na, und wer ist es denn?«
    »Das sage ich nicht.«
    »Verstehe«, sagte Dalby. »Aber du könntest ihn natürlich für uns finden, wenn wir dich nur freiließen, damit du ihn für uns aufstöberst – so ist es doch, was?« Er sah das Mädchen kopfschüttelnd an. Diese Typen wunderten sich immer, wenn ein Polizist ihre Lügengeschichten zu Ende erzählte. Warum hielten sie die Männer der Polizei immer für Dummköpfe und Narren?
    Aber diesmal war es an Dalby, sich zu wundern, denn das Mädchen sagte mit ruhiger Stimme: »Nein.«
    »Nein?« fragte Dalby.
    »Nein«, erwiderte das Mädchen. »Ich weiß genau, wo er zu finden ist.«
    »Aber du mußt uns zu ihm führen, was?« fragte

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