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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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verbeugte.
    »Einen wunderschönen guten Abend, Sir«, sagte der betrunkene Ire.
    »‘n Abend«, sagte der Wachmann.
    »Was, wenn ich fragen darf«, sagte der Betrunkene und richtete sich auf, »treiben Sie da oben eigentlich?«
    »Ich bewache diese Räume hier«, sagte der Nachtwächter.
    Der Betrunkene rülpste. »Das kann jeder sagen, guter Mann. So hat sich schon mancher Gauner rausgeredet!«
    »Na, also hören Sie mal!«
    »Ich glaube«, sagte der Betrunkene und fuchtelte mit dem Zeigefinger in der Luft herum, »ich glaube, Sir, wir holen lieber mal die Polizei, dann wird sich ja herausstellen, was mit Ihnen los ist.«
    »Jetzt hören Sie mal zu …« sagte der Nachtwächter.
    »Sie hören jetzt mal zu, und zwar genau, wenn ich bitten darf«, sagte der Betrunkene und begann plötzlich zu brüllen:
    »Polizei, Po-li-zei !«
    »Jetzt reicht’s aber«, sagte der Wachmann und kam die Treppe herunter. »Reißen Sie sich zusammen, Sie besoffenes Schwein.«
    »Besoffenes Schwein?« sagte der Betrunkene, hob die Augenbrauen und drohte mit der Faust. »Ich bin ein Dubliner, Sir.«
    »Das sieht man!« schnauzte der Wachmann.
    In diesem Augenblick kam – auf das Gebrüll des Betrunkenen hin – der Konstabler um die Ecke gelaufen. »Ah, ein Verbrecher, Konstabler«, sagte der Betrunkene. »Verhaften Sie den Lumpen da«, sagte er rülpsend und zeigte auf den Nachtwächter, der jetzt am Fuß der Treppe stand.
    »Der hat hier was vor!« Wieder rülpste er.
    Der Konstabler und der Wachmann tauschten Blicke aus und grinsten.
    »Sie finden das wohl noch komisch, Sir?« sagte der Betrunkene zu dem Polizisten. »Ich kann daran nichts Komisches finden. Der Lump da hat was vor.«
    »Kommen Sie mal mit«, sagte der Konstabler. »Oder ich sperre Sie wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses ein.«
    »Ärgernis?« sagte der Betrunkene und riß sich vom Arm des Konstablers los. »Sie und dieser Lump da stecken wohl unter einer Decke, Sir?«
    »Das reicht jetzt«, sagte der Konstabler. »Kommen Sie mal schön mit.«
    Der Betrunkene ließ sich von dem Polizisten fortzerren.
    Man hörte auch, wie er den Konstabler fragte: »Sie haben nicht zufällig ein kleines Schlückchen Gin bei sich, was?«
    »Diese Iren!« sagte der Wachmann seufzend und ging kopfschüttelnd wieder die Eisentreppe hinauf, um sein Abendbrot zu verzehren. In der Ferne schlug die Turmuhr elf.
    Agar hatte alles mitangesehen und sich über den Auftritt von Pierce amüsiert, fragte sich nun aber besorgt, ob Sauber-Willy währenddessen auch wirklich die Eingangstür zum Büro geöffnet hatte. Bald würde er es wissen: In einer halben Stunde würde er loslaufen, als ginge es um sein Leben.
    Er sah auf die Uhr, sah zu der Bürotür hinauf und wartete. Was Pierce betraf, so war der schwierigste Teil seiner Darbietung das Finale auf der Tooley Street, wohin der Konstabler ihm mit festem Griff geführt hatte. Er mußte versuchen, so schnell wie möglich von dem Polizisten loszukommen.
    Als sie in die neblige Nachtluft hinaustraten, atmete Pierce tief durch. »Ah«, sagte der, »was für ein wunderschöner Abend, frisch und belebend.«
    Der Polizist sah sich in dem trüben Nebel um. »Für meinen Geschmack ein bißchen kühl«, sagte er.
    »So, mein lieber Freund«, sagte Pierce und zog seine Kleidung zurecht. Dann richtete er sich betont straff auf, als hätte die Nachtluft ihn plötzlich ernüchtert. »Ich bin Ihnen dankbar für Ihr Eingreifen in dieser Sache. Ich kann Ihnen versichern, daß ich jetzt gut allein weitergehen kann.«
    »Sie werden nicht wieder randalieren?«
    »Mein Herr«, sagte Pierce und richtete sich zu voller Größe auf, »wofür halten Sie mich?«
    Der Polizist blickte zum Bahnhof hinüber. Es war seine Pflicht, seine Rundgänge fortzusetzen. Ein herumirrender Betrunkener, der sich in der Halle hatte sehen lassen, ging ihn nichts mehr an, sobald er ihn aus dem Bahnhof hinausgeschafft hatte. London war schließlich voll von Betrunkenen, besonders von betrunkenen Iren, die sich gern reden hörten.
    »Dann passen Sie nur schön auf sich auf!« sagte der Konstabler und ließ ihn ziehen.
    »Einen schönen guten Abend noch, Sir«, sagte Pierce mit einer Verbeugung. Dann ging er leicht schwankend durch den Nebel davon. Nach einer Weile stimmte er wieder Molly
    Malone an. Er ging nur bis zum Ende der Tooley Street. Dort, im Nebel kaum zu erkennen, hielt eine Kutsche. Pierce sah zu dem Kutscher hinauf.
    »Na, wie ist es gegangen?« fragte Barlow.
    »Tadellos!«

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