Der Grosse Eisenbahnraub: Roman
hielt inne.
»Da ist noch etwas«, sagte er. »Sollten die Kracher nicht da sein, wenn ich am Donnerstag komme, haben Sie nichts zu lachen.«
»Sie können sich auf mich verlassen, Sir.«
»Sonst haben Sie auch nichts zu lachen«, sagte Pierce und ging.
Es war noch nicht ganz dunkel. Gaslaternen warfen ein spär liches Licht. Pierce sah den lauernden Greifer nicht, wußte aber, daß er sich irgendwo in der Dunkelheit verbarg. Pierce nahm eine Droschke und fuhr zum Leicester Square, wo sich die Menschen vor den Theatern drängten.
Er betrat eine Eingangshalle, stellte sich an, erstand eine Karte für Die Irrtümer einer Nacht von Oliver Goldsmith und mischte sich unter die Menschen im Foyer. Eine Stunde später war er zu Hause, nachdem er dreimal die Droschke gewechselt und viermal in Pubs gegangen war, um diese gleich wieder zu verlassen. Er war davon überzeugt, seinen Verfolger abgeschüttelt zu haben.
Scotland Yard und die Geset z e der Logik
Der Morgen des 18. Mai war ungewöhnlich warm und sonnig, aber das freundliche Wetter konnte Mr. Harranby nicht aufheitern. Die Dinge standen schlecht. Auf die Nachricht von Sauber-Willys Tod in einer Absteige in Seven Dials hin hatte Harranby sich seinem Gehilfen, Mr. Sharp, gegenüber zu einigen groben Worten hinreißen lassen. Als er dann auch noch erfuhr, daß seine Männer den Herrn, den sie beschatten sollten, im Gedränge eines Theaterfoyers aus den Augen verloren hatten – einen Mann, den sie nur als Mr. Simms kannten und von dem sie nichts weiter wußten, als daß er ein Haus in Mayfair besaß –, hatte er einen Wutanfall bekommen und sich lautstark über die Unfähigkeit von Untergebenen, Mr. Sharp eingeschlossen, beklagt.
Inzwischen hatte Mr. Harranby aber seine Beherrschung wiedergewonnen. Der einzige Mensch, von dem Scotland Yard nun noch über diesen Mr. Simms etwas erfahren konnte, saß schweißgebadet und mit apoplektisch gerötetem Gesicht vor ihm und rang die Hände.
»Hören Sie, Bill«, sagte Harranby und sah Asthma-Bill streng an, »dies ist eine sehr ernste Angelegenheit.«
»Ich weiß, Sir, wirklich, ich weiß«, sagte Bill.
»Fünf Kracher, das sagt mir, daß da irgendwas im Busch ist, und ich habe die Absicht herauszufinden, was.«
»Der hat die Zähne aber kaum auseinandergekriegt, kann ich Ihnen sagen.«
»Das kann ich mir denken«, sagte Harranby. Er angelte eine Gold-Guinee aus der Tasche und ließ sie auf die Schreibtischplatte fallen. »Versuchen Sie sich zu erinnern«, sagte er.
»Es war schon ziemlich spät am Tage, Sir, bei allem Respekt, und ich fühlte mich nicht ganz wohl«, sagte Bill, der das Goldstück auffällig anstarrte.
Harranby hatte nicht die Absicht, dem Burschen noch eines zu geben. »Die Tretmühle hat nach meinen Erfahrungen schon so manches Gedächtnis aufgefrischt«, sagte er.
»Aber ich habe doch gar nichts getan«, protestierte Bill. »Ich bin ehrlich wie ‘n neugeborenes Kind, Sir. Ich verheimliche Ihnen nichts. Sie haben wirklich keinen Grund, mich einzulochen.«
»Dann strengen Sie mal ein bißchen Ihr Köpfchen an«, sagte Harranby, »und zwar schnell, wenn ich bitten darf.«
Bill knetete die Hände auf den Knien. »Also, er kommt so um sechs Uhr abends in den Laden. Fein angezogen, gute Manieren, spricht aber wie ‘n Docker aus Liverpool. Und goscht auch Zinken dazwischen.«
Harranby warf Sharp, der in einer Ecke saß, einen um Hilfe heischenden Blick zu. Gelegentlich brauchte selbst Harranby einen Dolmetscher.
»Er spricht auch Gaunersprache«, erläuterte Sharp.
»Ja, ja, so war’s«, beteuerte Bill mit einem Kopfnicken. »Der gehört zur Familie, das ist sicher. Will mich dazu bringen, fünf Kracher zu besorgen, und ich sage, fünf, das ist ‘ne ganze Menge, und er sagt, er braucht sie gestern, und nervös ist er auch und hat’s eilig und legt gleich ‘ne Menge Zaster auf den Tisch.«
»Und was haben Sie ihm gesagt?« fragte Harranby, ohne Bill aus den Augen zu lassen. Einem gewieften Spitzel vom Schlage Asthma-Bills war durchaus zuzutrauen, daß er eine Seite gegen die andere ausspielte, und außerdem log Bill wie gedruckt.
»Also, ich sage ihm, fünf sind ganz schön viel, aber ich würd’s schon schaffen, wenn er mir etwas Zeit läßt. Und da fragt er, wie lange ich brauche, und ich sage, zwei Wochen. Da wird er schon ‘n bißchen manierlicher und sagt, er braucht die Dinger früher. Ich sage, acht Tage. Er sagt, acht Tage sind zuviel, und dann rutscht ihm raus, daß er in acht
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