Der Grosse Eisenbahnraub: Roman
Tagen nach Greenwich muß, und da wird er plötzlich stumm wie ‘n Fisch.«
»Greenwich«, sagte Harranby und runzelte die Stirn.
»Ja, Sir, Greenwich. Es rutschte ihm so raus, aber dann beißt er sich auf die Zunge und sagt, acht Tage sind zuviel. Ich sage also, wie schnell denn? Und er sagt, sieben Tage. Ich sag also, na schön, in sieben Tagen kann ich’s liefern. Und er sagt, zu welcher Zeit? Ich sage, zwölf Uhr mittags. Und er sagt, das ist zu spät. Er sagt, auf keinen Fall später als zehn Uhr.«
»Sieben Tage«, sagte Harranby, »das heißt also, nächsten Freitag?«
»Nein, Sir. Nächsten Donnerstag. Sieben Tage, von gestern an gerechnet.«
»Weiter.«
»Ich dilldalfe erst ‘n bißchen und sage dann, schön, er kann die Dinger am Donnerstag um zehn haben. Und er sagt, na gut, einverstanden, aber er ist kein Dade, dieser Bursche, und er sagt, er verpaßt mir ‘ne Gemore, wenn ich nicht betuach bin.«
Harranby sah wieder fragend zu Sharp hin. Sharp sagte: »Er
meint, der Mann ist kein Dummkopf und hat gesagt, wenn die Waffen nicht rechtzeitig da seien, könne Bill sich auf was gefaßt machen.«
»Und was haben Sie gesagt, Bill?« stieß Harranby nach.
»Ich sage, ich kann’s schaffen und verspreche es ihm. Und da legt er mir zehn Goldene hin, und ich sehe gleich, die sind koscher, und dann geht er und sagt, nächsten Donnerstag kommt er wieder.«
»Das ist alles«, erwiderte Bill.
Es folgte ein langes Schweigen. Schließlich sagte Harranby:
»Und was schließen Sie aus all dem, Bill?«
»Der hat ein großes Ding vor, da können Sie Gift drauf nehmen. Das ist kein Chammer, dieser Herr, der ist ausgekocht, der versteht sein Handwerk.«
Harranby zupfte sich am Ohrläppchen, eine nervöse Angewohnheit. »Was ist denn schon Großes in Greenwich zu holen?«
»Ich will verdammt sein, wenn ich das weiß«, sagte AsthmaBill.
»Haben Sie irgendwas läuten hören?« fragte Harranby.
»Ich halte die Lauscher am Boden, Sir, aber von einem Ding in Greenwich habe ich nicht gehört, ich schwöre.«
Harranby machte eine Pause. »Sie können sich noch eine Guinee verdienen, wenn Sie es sagen können.«
Ein Ausdruck tiefer Verzweiflung huschte über Asthma-Bills Gesicht. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, Sir, aber ich habe wirklich nichts gehört. Es stimmt, Sir, so wahr mir Gott helfe, Sir.«
»Ich will’s Ihnen glauben«, sagte Harranby. Er wartete noch einen Augenblick und ließ den Pfandleiher dann gehen. Asthma-Bill schnappte sich die Guinee und ging.
Als Harranby mit Sharp allein war, fragte er wieder: »Was ist denn bloß in Greenwich zu holen?«
»Ich will verdammt sein, wenn ich das weiß«, erwiderte Sharp.
»Wollen Sie sich etwa auch eine Gold-Guinee verdienen?« Sharp sagte nichts. Harranbys Anfälle schlechter Laune waren nichts Neues für ihn. Man mußte sich damit abfinden. Sharp saß in der Ecke und beobachtete, wie sein Vorgesetzter sich eine Zigarette anzündete und nachdenklich daran zog. Zigaretten waren in Sharps Augen törichte kleine Dinger, an denen nichts dran war. Ein Londoner Händler hatte sie vor einem Jahr eingeführt. Sie wurden vor allem von Soldaten verlangt, die von der Krim zurückkehrten. Sharp selbst rauchte gute Zigarren.
»Also gut«, sagte Harranby. »Fangen wir ganz von vorn an. Wir wissen, daß dieser Simms seit Monaten an irgendeiner Sache dran ist, und wir können davon ausgehen, daß er nicht auf den Kopf gefallen ist.«
Sharp nickte.
»Gestern wurde Sauber-Willy umgebracht. Heißt das etwa, daß die Burschen wissen, daß wir ihnen auf der Spur sind?«
»Vielleicht.«
»Vielleicht, vielleicht«, sagte Harranby gereizt. »Vielleicht ist nicht genug. Wir müssen sicher sein, und Sicherheit können wir uns nur mit den Grundsätzen der deduktiven Logik verschaffen. Für blindes Drauflosraten ist in unserem Denken kein Platz. Halten wir uns an die harten Tatsachen und folgen wir ihnen, wohin sie uns auch führen mögen. Also schön, was wissen wir sonst noch?«
Das war eine rhetorische Frage, und Sharp sagte nichts.
»Wir wissen«, sagte Harranby, »daß dieser Simms nach monatelanger Vorbereitung urplötzlich dringend fünf Kracher braucht. Und das in letzter Minute. Er hat monatelang Zeit gehabt, sie sich eine nach der andern unauffällig zu beschaffen, aber nein, er verschiebt diesen Kauf auf den letzten Augenblick. Warum?«
»Sie meinen, er will uns verladen?«
»Wir müssen den Gedanken ins Auge fassen, so unangenehm das auch ist«,
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