Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete
mittelalterlichen Klerikern ersonnen worden zu sein scheinen, ist das Elsass eine märchenhaft einfache Angelegenheit: Eine einzige AC Alsace reicht aus für das gesamte Anbaugebiet. Für ausgewählte Lagen gibt es noch die AC Alsace Grand Cru.
Auch muss man sich keine Gedanken über typisch deutsch verkomplizierte Reifegrade machen. Die Etiketten im Elsass sind von kalifornischer Klarheit: Als Hauptelemente genügen der Erzeugername und die Rebsorte. Im Gegensatz zu Kalifornien aber sorgt eine Vielzahl streng überwachter Gesetze dafür, dass Überraschungen ausbleiben. Sortenreine Gewächse müssen ausschließlich aus der auf dem Etikett angegebenen Traube gekeltert werden. Entsprechend vorhersehbar und verlässlich sind die Weine. Doch ihre Erzeuger wünschen sich für sie mehr Glamour und einen Platz unter den ganz Großen, deshalb legen sie zunehmend Wert auf späte Lese und Abfüllungen aus Grands Crus und anderen Vorzugslagen. Für die meisten Weinfreunde hingegen steht im Vordergrund, dass die Region eine gewisse Qualität garantiert und stilistisch verlässlichere Weine als die meisten anderen Anbaugebiete bereitet.
Das Elsass liefert herrlich appetitanregende, reintönige, aromatische Speisenbegleiter zu vernünftigen Preisen. Einzige Unsicherheit ist der Süßegrad. Was sich als frischer, traubiger Wein zum Essen andient, gerät oft viel zu wuchtig und süß. Spät gelesene Tropfen werden zwar als solche etikettiert, viele Erzeuger ernten aber später als noch vor einigen Jahren, was mitunter für Verwirrung sorgt (siehe > ).
Das Elsass ist 113 Kilometer lang und 20 bis 30 Kilometer breit. Es nimmt in den Départements Haut-Rhin und Bas-Rhin die Ostflanke der Vogesen ein, deren Ausläufer im Schutz der höchsten Vogesengipfel und der Wälder im Westen auf einer Höhe von 180 bis 360 Metern durchlässige Süd- und Südosthänge bereithalten. Die gesamte Region liegt im Regenschatten des Gebirges und gehört zu den Anbaugebieten mit der niedrigsten Niederschlagsmenge und höchsten Sonnenscheindauer in ganz Frankreich.
Weil Wasserscheiden natürliche Grenzen sind, sollte das Elsass eigentlich zu Deutschland gehören. Das war früher auch der Fall, aber seit der Rhein als Grenzfluss herhalten muss, ist das Gebiet französisch. Sprache und Architektur aber sind deutsch geblieben. Das gilt auch für die Rebsorten – doch wenn man sie auf die französische Art verarbeitet, ergeben sie ein anderes Getränk. Und was, bitte, ist der Unterschied? Schließlich liefern die Rebflächen auf der anderen, der deutschen Seite des Flusses ähnliche Weine aus ähnlichen Sorten.
Nun, sie haben meist eine andere Struktur. Ein Riesling aus Baden ist eher rassig als reich, während ein Pinot gris alias Grauburgunder oft von der Eiche erwürgt wird, was die herrliche, moschusartige Würze unterdrückt. Auch Weißburgunder schickt man in Deutschland gern ins Fass. Viele der besten Elsässer Weine werden zwar in Eiche vergoren, doch sind die Fässer nicht neu, sondern fast schon Antiquitäten und haben eine dicke Schicht aus Weinsteinkristallen, die keine Aromastoffe aus dem Holz in den Wein lassen und auch Oxidation verhindern. Daher tritt der aromatische Charakter ihrer Trauben sauber und klar hervor.
Elsässer Weine werden so bald wie möglich im Frühjahr, spätestens aber im Herbst nach der Lese abgefüllt. Die meisten trinkt man jung, was schade ist, denn durch die Alterung in der Flasche gewinnen sie an Komplexität. Ein guter Riesling oder Gewurztraminer – im Elsass hat er keinen Umlaut – oder auch ein Pinot gris kann gut und gern vier, manchmal sogar bis zu zehn Jahre in der Flasche ausharren. Das gilt vor allem für die süßeren Versionen, die in immer größeren Mengen bereitet werden. Süßweine erzielen höhere Preise, sind aber kein Ersatz für die Kombination aus Fülle und Frische, mit der die besten trockenen Weine der Region oft gesegnet sind.
Die Elsässer Spitzenlagen erstrecken sich im Département Haut-Rhin in einer Gruppe von Dörfern nördlich und südlich von Colmar. Die natürliche Weinhauptstadt ist Riquewihr mit seinen zahlreichen blumengeschmückten Fachwerkhäusern – quasi das St-Emilion der Vogesen.
Im Süden des Anbaugebiets ist das Klima zwar am wärmsten und trockensten, trotzdem ist der Unterschied zum Haut-Rhin nicht so groß, dass er einen Vergleich des Haut-Rhin mit dem Haut-Médoc rechtfertigen würde. Niedrigere Qualität lässt sich aus dem Namen Bas-Rhin, wörtlich
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