Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete
miteinander, mit ihren Konkurrenten aus dem Médoc und sogar mit Burgundern verwechseln. Einige ihrer Vorzüge kristallisieren sich ferner in Weingärten auf ganz anderen Böden heraus, nämlich dem Sand des Dordogne-Tals unterhalb der Stadt St-Emilion selbst (sables) und in den fünf »Satelliten« im Norden und Osten.
Die 1954 erstellte Klassifikation von St-Emilion wird als einzige Rangordnung ihrer Art regelmäßig überarbeitet – das letzte Mal 2006. Seit dem Jahrgang 1985 gibt es zwei Appellationen: die einfache AC St-Emilion und die AC St-Emilion Grand Cru. Klassifizierte Gewächse werden in Premiers Grands Crus Classés und Grands Crus Classés unterteilt. In der Spitzenklasse unterscheidet man zusätzlich zwischen »A« und »B«. Die aktuelle Klassifikation weist mit Cheval Blanc und Ausone zwei Châteaux als Premiers Grands Crus Classés »A« und 13 als »B« aus. Die »B«-Gutsprominenz entspricht in etwa den Deuxièmes und Troisièmes Crus im Médoc. Auf das Grand-Cru-Classé-Siegel haben 46 Betriebe Anspruch.
Die durchschnittliche Rebfläche liegt bei etwa acht Hektar.
Die größten Kellereien haben nicht viel mehr als 40 Hektar, die kleinen gerade einmal zwei oder drei Hektar und eine Produktion von einigen hundert Kisten. »Grand Cru« ohne Zusatz ist eine Generalkategorie wie Cru Bourgeois im Médoc.
Seit Anfang der 1990er-Jahre hat sich der Stil vieler St-Emilion-Gewächse auf wenig subtile Weise verändert. Nirgendwo sonst in Bordeaux wurden Verfahren wie Mostkonzentration oder Mikrooxidation mit solcher Begeisterung eingeführt. Unterzieht man aus sehr niedrigen Erträgen gewonnene Weine derartigen Behandlungen, ist das Ergebnis eine undurchdringliche Farbe, enorme Konzentration und Kraft, ein hoher Alkoholgehalt und ein marmeladiger Geschmack. Nun hat dieser Stil zweifellos eine breite Anhängerschaft, vor allem unter amerikanischen Weinkritikern, doch könnte man einwenden, dass St-Emilion damit nicht nur seine Eleganz, sondern auch seine typicité zu verlieren droht.
St-Emilion: Premiers Grands Crus
Château Ausone ****
Besitzer: Alain Vauthier. 7 ha. Rebsorten: Merlot 45%, Cabernet franc 55%. www.chateau-ausone.com
Müsste man nach dem auf Anhieb als vielversprechendste Rebfläche in Bordeaux erkennbaren Rebenbesitz suchen, wäre Ausone die erste Wahl. Kein Wunder, dass der Name des Guts auf den römischen Dichter Ausonius verweist, der übrigens auch ein Moselkenner war. Die Rebgärten verlaufen südlich und östlich der Schichtstufe, deren Kalkgestein als Baumaterial genutzt wurde und herrlich kühle, geräumige Keller birgt.
Ausone durchlebte eine lange finstere Phase, als sein Wein gut, aber nicht gut genug war. Zur selben Zeit verdunkelte sich auch bei den Nachbarn die Sonne. Rivalisierende Familienzweige zankten sich um jedes Detail – selbst über den Lesebeginn mussten Gerichte entscheiden. Unter solchen Umständen tendierten die Investitionen gen Null. 1995 übernahm Alain Vauthier das Gut und seither geht es mit der Qualität steil aufwärts. Ein Ausone zeichnet sich heute durch seine reiche, verführerische Art sowie eine erhebende Dichte und Komplexität aus, die bisher mit jedem Jahrgang erreicht wurden, aber im 2000er und 2005er gipfelten.
Die Weinbereitung unterscheidet sich auf Ausone im Prinzip nicht von der im Médoc. Der gesamte, kläglich geringe Ertrag kommt in neue Fässer. Ihnen entsteigen etwas früher trinkbare Erzeugnisse als bei den Spitzengütern im Medoc, ihre potenzielle Lebensspanne aber scheint, nach sehr seltenen alten Flaschen zu urteilen, nicht kürzer zu sein. Das Endergebnis ist auf jeden Fall süße, lebhafte Harmonie mit unergründlicher Tiefe – ein echter Bordeaux von reinstem Zauber.
Château Cheval Blanc ****
Besitzer: Bernard Arnault und Albert Frère. 37 ha. Rebsorten: Cabernet franc 58%, Merlot 42%.
www.chateau-cheval-blanc.com
Obwohl Cheval Blanc sich den ersten Platz in St-Emilion mit Ausone teilt, sind Boden, Lage und Tradition gänzlich verschieden. Die Rebfläche erstreckt sich auf dem Plateau an der Grenze zu Pomerol auf wesentlich tiefgründigerem Boden, einer Mischung aus Kies, Sand und Ton mit tonigem Unterboden.
Die Hauptrebe ist Cabernet franc, hier auch Bouchet genannt.
Bevor 1998 zwei reiche Geschäftsleute den Betrieb übernahmen, war Cheval Blanc seit Beginn des 19. Jahrhunderts im Besitz ein und derselben Familie gewesen.
Ein Cheval Blanc ist der Mouton von St-Emilion, ein Blockbuster, der auf gewisse Weise
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