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Der große Ölkrieg

Der große Ölkrieg

Titel: Der große Ölkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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der Psyche, abliefen, zehrten ihn aus.
    Der Haß fraß ihn von innen her auf.
    Warum kapierte er das erst jetzt?
    Oder sollte es – besser formuliert – heißen: Warum kapierte er das erst jetzt wieder ?
    Er hatte sich gegen die Einnahme des Vitaminsaftes gewehrt, damals, nachdem der Prozeß beendet und sein Antrag auf Einstufung als Umdenker aufgesetzt gewesen war.
    Er hatte es ernst gemeint; er war ein Umdenker gewesen. Aber er hatte sich gegen die Vitamine gewehrt. Er hatte geahnt, daß sie ihn damit an die Leine legten, daß irgend etwas beigemischt war, das ihn zu einem braven Untertan machte.
    Jetzt hatte er den Beweis.
    Natürlich hatte es mit den Vitaminen zu tun, und deshalb würde er sie auch nicht mehr zu sich nehmen; es hatte lange genug gedauert, bis er es überhaupt gewagt hatte, sie abzusetzen.
    Aber er mußte vorsichtig sein, sehr, sehr vorsichtig. Sie waren aufmerksam, und sie beobachteten ihn. Er mußte ihnen beweisen, daß er trotzdem zuverlässig war, ein echter Umdenker. Er mußte seinen Haß bekämpfen, unterbinden, mußte verhindern, daß seine Maske abbröckelte.
    Nicht auffallen!
    Diese Arbeit hier war Sozialarbeit. Er hatte etwas, woran er sich festhalten konnte, etwas, das ihm Halt gewährte in dieser Welt ohne Halt, ohne Bindungen, ohne – Zuversicht.
    Die anderen … Er schluckte; etwas Düsteres, Unheimliches sickerte in sein Bewußtsein, eine schwarze Wolke, eine Vision, die ihn frösteln ließ. Er sah die Menschenmassen, die sich durch die schmutzstarrenden Straßen wälzten, sah die Transparente, auf denen sie Nahrungsmittel, Arbeit, soziale Gleichheit, Wohnungen forderten … Der Anblick war Tagesgeschehen, gehörte wie die Drogentoten zum Alltag, zur akzeptierten Realität. Niemand konnte der Massenarbeitslosigkeit, der Hungers- und der Wohnungsnot Herr werden, obwohl das die Konzerne und Parteien schon vor einigen Prodjahren versprochen hatten, und auch schon früher, in der Zeit vor dem Bürgerkrieg, hatte es dementsprechende Parolen gegeben. Er erinnerte sich nur zu gut daran.
    Sie waren betrogen worden. Einheitsregierung, Notstandsgesetze. Demonstrationsverbot. Absolutes Polizeirecht.
    In der Zwischenzeit hatte es weitere Reaktorunfalle gegeben. Baden-Württemberg und die Gegend am Niederrhein waren radioaktiv belastet. Das Schlimmste hatte – so die Kommentatoren – verhindert werden können. Allerdings wurden immer öfter Fehl-, Tod- oder Mißgeburten gemeldet.
    Die Tag für Tag illegal durchgeführten Demonstrationen wurden geduldet. Prinzip: Übersättigung. Es würde sich nichts ändern. Die Branche war zu mächtig. Politischen Widerstand gab es kaum. Gewaltsamen Widerstand würde – durfte – es nie wieder geben. Man hatte gesehen, was mit den Anführern der Anti-Branchen-Initiativen geschehen war. Die meisten von ihnen hatten – auch vor dem Krieg – für die friedliche Auseinandersetzung plädiert. Dennoch war ihnen der Prozeß gemacht worden.
    Und die Urteile …
    Berger spürte, daß es gefährlich wurde, weiter daran zu denken, weiter die Grausamkeiten der vergangenen Tage heraufzubeschwören, er zitterte, wußte, daß seine Konzentration nachgelassen hatte, daß er sich auffällig benahm, daß sie dies registrieren mußten …
    Auch er war für die friedliche Auseinandersetzung gewesen. Auch er hatte sich geweigert, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Nicht einmal für diese wichtige Sache, für den Kampf gegen die Branche, für den Kampf gegen die störanfälligen Reaktoren, war er bereit gewesen, menschliches Leben zu vernichten! Er kämpfte doch für das Leben!
    Sie hatten ihn trotzdem verurteilt. Gefängnis. Zwangskastration. Leute seines Schlages sollten keine Kinder mehr zeugen dürfen! Er hatte es nicht begreifen können, er hatte gefleht, gebettelt, gewinselt; und irgendwann hatte er begriffen, daß er es über sich ergehen lassen mußte. Es war Gesetz. Er gehörte zu den Radikalen. Er war ein Gezeichneter.
    Er hatte die Operation überstanden, dann den Prozeß. Er hatte den Antrag auf Umdenker gestellt. Er war ein anderer Mensch geworden. Deshalb waren sie großzügig gewesen. Deshalb durfte er nun innerhalb der Branche in der Sozialarbeit tätig sein. Er genoß eine Vorzugsstellung.
    Die soziale Ungerechtigkeit, die immer wieder heraufbeschworen wurde; gab es die überhaupt? Ein jeder war seines Glückes Schmied. Sie lebten in einem Sozialstaat. Er kannte die Parolen nur zu gut, sie hatten sich in sein Gehirn eingebrannt. Ihm ging es gut. Er konnte

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