Der große Ölkrieg
jenen denkwürdigen Tag erinnerte, an dem ihm das Verlagshaus Wunderkreisel absolutes Hausverbot erteilte, weil man ihm schließlich doch daraufgekommen war, daß er anstelle seiner lange angekündigten Space Opera Der Schmeichelbaum das Dortmunder Telefonbuch ins Lektorat getragen hatte. Wenn Sepps Gesichtszüge dermaßen entgleisten, hat er einen auf dem Kieker. Ich hatte ihm gerade einen Fünfziger geliehen und konnte es schon deswegen nicht sein. Er kam auch bald zur Sache.
„Dieser Jupp van der Flupp“, trompetete er mit geröteten Wangen und Mord im Blick, „ist fraglos ein Angehöriger jener schmarotzenden Brigade von Tagedieben, die sich zum SF-Autor berufen fühlen, ohne daß die stupiden Elaborate, mit denen sie die Redaktionsstuben überschütten, auch nur das Papier wert wären, auf dem sie gekritzelt sind. Der Geheimdienst des Geheimkomitees der SF-Autoren Westeuropas hat herausgefunden , daß dieser van der Flupp kein unbeschriebenes Blatt ist. Er hat nicht nur mit boshafter Kontinuität versucht, beim Pinsel Verlag seinen Schund abzusetzen, sondern geht seit einigen Jahren auch Möppi Merkur aus der Redaktion des Magazins Gott verhüte! auf den Wecker. Es besteht kein Zweifel daran, daß van der Flupp zuviel SF gelesen hat und nun versucht, die Segnungen, die uns die Erfindung der Zeitmaschine beschert hat, dahingehend zu mißbrauchen, daß er die Welt so hinfummelt, wie er sie gerne hätte. Ich kenne zwar seine genauen Pläne nicht, aber ich vermute, daß er darauf abzielt, durch fortgesetzte Zeitmanipulation die gegenwärtige SF-Autorengeneration auszurotten, die Welt vergessen zu machen, daß es so was wie SF überhaupt gibt – und sich dann als deren Erfinder feiern zu lassen! Das Allerschrecklichste aber ist, daß er bei seinem schändlichen Tun alle Weisheiten ignoriert, die unsere vortrefflichen Autorenkollegen im Laufe der Jahrzehnte zusammengetragen haben, und sich um Zeitparadoxa, die aufgrund seiner Fummelei zwangsläufig auftreten müssen, einen Dreck schert!“
Ein Gluckern, dessen Tonhöhe mir seltsam bekannt vorkam, riß mich aus meiner Ohnmacht. Als ich aufschaute, ließ Sepp, beziehungsweise sein Klon, mit einem betretenen Gesicht gerade die Notschnapsflasche hinter meiner sechs undzwanzigbändigen Enzyklopädie des gerissenen Plagia tors verschwinden.
„Die Flasche hat unter S zu stehen“, wütete ich. „Unter S – wie Schnaps! Wie, in Gustav Galaxis’ heiligem Namen, kommst du auf die Idee, sie unter Band F abzustellen?“
„’tschuldigung“, sagte das klonhafte Wesen mit den Zügen meines alten Spezis. „Ich dachte, sie hätte unter F gestanden. F wie Fusel .“ Er wischte sich mit dem Handrücken über die künstlichen Lippen, kraulte seinen struppigen Bart (den er leider noch so lange tragen muß, bis das Foto, das die Steuerfahndung von ihm hat, veraltet ist), rückte die auf seiner Knollennase thronende sechseckige Brille zurecht und meinte: „Es gibt nur zwei Möglichkeiten, diesen Kretin von seinem schändlichen Treiben abzuhalten. Entweder wir ermorden ihn oder wir rütteln die Öffentlichkeit wach, damit sie ihn ermordet. Da Plan A ungesetzlich ist, hat das Geheimkomitee der SF-Autoren Westeuropas beschlossen, daß du meine unter allergrößten Schwierigkeiten entstandene Materialsammlung in eine ansprechende Form bringst und veröffentlichst. Es muß aber alles ungeheuer schnell gehen, schon wegen Hugo, aber das ist dir ja wohl selber klar. Einen Verleger habe ich schon angemacht. Er wird den Titel in die Sellerlisten bringen und ist sogar bereit, dir für die Arbeit etwas zu bezahlen.“
„Oh, wirklich? Yak, yak, yak!“ rief ich hocherfreut aus, denn so was kommt ja nun nicht alle Tage vor.
Da mein alter Spezi Sepp Siebenkäs leider keiner von denen ist, deren Behauptungen man unbesehen trauen kann, kam nun die harte Arbeit des Faktenüberprüfens auf mich zu. Kaum war der alte Gauner aus meiner Arbeitshöhle verschwunden, machte ich mich über seinen Text her. Schon nach der Lektüre der Überschrift („Betrachtungen über einen Sausack. Legt diesem Mistvieh endlich das Handwerk“) wurde mir klar, daß das Manuskript einiges an stilistischer Überarbeitung benötigen würde, denn die Erfahrung hatte mich gelehrt, daß allzu große Überschwenglichkeit bei der Beurteilung von Menschen stets den gefürchteten Großkritiker Alfred Urbanek auf den Plan rief. Da ich natürlich ungeheuer scharf darauf war, eines seiner begehrten Prädikate (möglichst
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