Der große Ölkrieg
„intergalaktische Spitsenklaße“) für das geplante Werk zu ergattern, würde ich auch einiges an Sepps eigenwilliger Zeichensetzung verändern müssen.
Als ich mir Sepps Materialsammlung über den Herrn der Welt von der inhaltlichen Seite her etwas näher ansah, taten sich schon nach den ersten Seiten bodenlose Abgründe vor mir auf. Mir standen alsbald nicht nur die letzten verbliebenen Haare zu Berge, sondern mir fiel auch noch das Gebiß aus dem Mund, so daß ich mich gezwungen sah, die nächste halbe Stunde auf dem Boden zwischen einigen moderbehafteten Anthologien von Thomas Le Punk zu verbringen, die er in einem Anfall von Phantasielosigkeit nach den Buchstaben des griechischen Alphabets (ebensogut hätte er sie numerieren können) benannt hatte.
Meine auf den Kellerboden begrenzte Wühltätigkeit förderte zwar nicht das gesuchte Gebiß zutage, aber dafür stieß ich überraschenderweise auf den Schlüssel meines Stahlfachs bei der Chase Manhatten Bank (die meine Belegexemplare aufbewahrt), einige schon seit längerem aus mei nem Gesichtskreis entschwundenen Aktien meiner Goldmi ne am Klondike und die Abonnementsrechnung des unbezahlbaren Pressedienstes Fredy’s ausgebuffte Exposes für den von der Muse ungeküßt gebliebenen SF-Autor.
Die wichtigsten Informationen, die ich Sepps Geschmiere über den Herrn der Welt entnahm, waren folgende:
1. Jupp van der Flupp war im August 1948 als Sohn eines Gullydeckelsammlers gleichen Namens in Winsen an der Luhe zur Welt gekommen.
2. Er hatte erfolgreich Volksschule und Gymnasium absolviert und anschließend zwanzig Semester Germanistik und Anglistik studiert.
3. Seine Frau, eine Sprachenlehrerin für Pagageien, hatte ihn 1980 wegen seelischer Grausamkeit („Überall in unserer Wohnung standen diese greulichen Kisten mit SF-Taschenbüchern herum. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen!“) verlassen. Sie lebt seither mit einem Psychiater zusammen.
4. Jupp van der Flupp hatte alle einschlägigen Redaktionen jahrelang mit Manuskripten von SF-Romanen bombardiert, die jedoch alle abgelehnt worden waren. Daß er dies den betreffenden Lektoren übelnahm, bewiesen die Fotokopien zahlreicher Beschwerdebriefe. (Zitat: „Warte nur, du Stinktier! Wenn Du heute Feierabend machst, erwarte ich Dich am Sendlinger Tor und hau Dich zu Pulp!“)
5. Am 3. 1. 1980 hatte Jupp van der Flupp den in einschlägigen Kreisen wohlbekannten Schrotthändler Emil Ostrowsky-Lantz kennengelernt und von diesem eine gebrauchte Zeitmaschine (Modell: Grundig-Superhüpf) erworben.
6. Und hier folgte die lange Liste seiner unglaublichen Verbrechen, über die ich mich nicht näher auslassen will, da mein alter Spezi Sepp das auf den vorangegangenen Seiten bereits getan hat.
Nachdem ich – geschwächt von der Lektüre der Siebenkäss chen Materialsammlung – zähneklappernd und von Schweißausbrüchen geplagt auf einen Stapel meines Lieblingsmagazins Kaum-zu-glauben-SF zusammengesunken war, votierte in meinem Inneren alles für die Durchführung des aufgrund unklarer juristischer Sachverhalte aufgegebenen Plans A (aber das hatte auch damit zu tun, daß sich das Manuskript meines Spezis Sepp in einem solch saumäßigen Zustand befand, daß ich keine Chance sah, es in einem angemessenen Zeitraum unter die Leute zu bringen).
Dennoch, die Sachlage war klar. Ich schlug kurz bei Freud nach und stellte fest, daß die Krankheit, an der Jupp van der Flupp litt, allgemein als ‚Ablehnungsbescheidneuro se’ bekannt war. Was sollte ich tun? Schon in ein paar Tagen konnte der Schuft seinen elenden Plan in die Tat umsetzen – und was dann? Wenn Hugo Gernsback sich aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse entschloß, statt in die USA auszuwandern im elterlichen Steinbruch zu arbeiten? Wenn sich plötzlich die Gegenwart änderte – was würde dann aus mei nen Kollegen und mir? Würden wir stempeln gehen müssen? Würde es uns überhaupt noch geben?
Ich muß zugeben, daß ich einen Moment lang daran dach te, Sepps chaotisch zusammengestümperte Story durch den Kamin zu jagen, ihn an die Burschen von der Steuerfahndung zu verraten und auf dem schnellsten Wege nach Obervolta zu fahren, um diesem verfluchten van der Flupp den Hals umzudrehen, aber schließlich siegte doch die Vernunft, die am nächsten Tag in Form eines unterschriebenen, ganz allerliebst anzusehenden Honorarschecks in meinen Keller getragen wurde.
Na gut, dachte ich, sei’s drum! Ich fiel wie ein Tiger über Sepps Papierhaufen
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